Der Medienmonitor dreht sich diese Woche um Ausbildungsplätze, ein Modellprojekt zur Integration von Studierenden, die Bildungsstudie ‘Visible Learning’ und das Thema ‘Integration’ ganz für sich allein. Doch in der vergangenen Woche stand auch Literatur in der medialen Öffentlichkeit. Patrick Bauer macht mit seinem Roman ‘Die Parallelklasse’ auf sich aufmerksam, regt zum Nachdenken an und provoziert Vergleiche zu Bildung und Integration in Berlin 2011.

 

Mehr Migrantinnen und Migranten in die Ausbildung!

 

Das migazin berichtet, dass die Situation für Lehrstellenbewerberinnen und -bewerber sich deutlich verbessert habe. Der Bundesagentur für Arbeit sei bis Ende September 2011 ein Zuwachs von Ausbildungsplätzen von 7,5% gemeldet. Zu Beginn des Ausbildungsjahres habe es rund 18.000 freie Ausbildungsplätze mehr als Bewerberinnen und Bewerber gegeben.

 

Maria Böhmer (CDU), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, fordert Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auf, die zunehmende Zahl an frei werdenden Ausbildungsplätzen verstärkt mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu besetzen. Diese würden häufig über Qualifikationen verfügen, die im internationalen Wettbewerb von Relevanz seien. Als Beispiele nennt sie Sprachkenntnisse und eigene kulturelle Erfahrungen. Mit der Einstellung von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien würden Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Fachkräftenachwuchs sichern und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt in Deutschland leisten.

 

Sie verweise auch darauf, dass junge Migrantinnen und Migranten oft mittlere und höhere Schulabschlüsse erreichen, wobei immer noch doppelt so viele Jugendliche aus Zuwandererfamilien die Schule abbrechen würden wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Zudem forderte Böhmer auf der Konferenz „Eltern können mehr! Interkulturelle Elternkooperationen für Berufsorientierung und Integration“ in Köln verstärkte Mitwirkung der Eltern bei der Berufsorientierung ihrer Kinder. Laut Pressemitteilung der Bundesregierung betonte Böhmer, dass Eltern auch bei der Berufsorientierung die wichtigsten Ratgeber seien und Vorbildfunktion hätten. Allerdings bleibe vielen der Zugang zum deutschen Ausbildungssystem beispielsweise durch mangelnde Sprachkenntnisse verwehrt.

 

Böhmer ruft auf zu mehr Engagement für die Bildung und Ausbildung der eigenen Kinder und fordert gleichzeitig Verantwortliche aus Bildungseinrichtungen auf, Eltern stärker einzubeziehen und bei der Unterstützung der eigenen Kinder unter die Arme zu greifen. Deren Verantwortung für ihre Kinder ende nicht an der Schultür und nur die Zusammenarbeit von Schulen, Arbeitsagenturen, Unternehmen, Kammern, Stiftungen und den Eltern führe zum Erfolg.

 

„Visible Learning“ – Bildungsstudie von John Hattie

 

Die Studie ,Visible Learning‘ von John Hattie, einem neuseeländischen Bildungsforscher wird in der ZEIT aufgegriffen: rund 800 internationale Studien wurden ausgewertet, die sich auf rund 50000 Einzelstudien beziehen. Darin hat Hattie 138 Einflussfaktoren für den Lernerfolg ausgemacht. Die entscheidende Frage war dabei: Was wirkt nachhaltig?

 

Die Befunde belegen einen Vorrang personaler vor strukturellen Einflussfaktoren: Es komme vor allem auf die Lehrerinnen und Lehrer an, erst dann folge eine Liste wirkungsmächtiger Faktoren, die unter anderem eine strukturierte, Unterrichtsführung, ermutigendes, und unterstützendes Lernklima, evaluative Vorgehensweisen sowie fachliche Materialien und Programme zur spezifischen Unterstützung leistungsschwächerer Schüler enthalte. Der Göttinger Erziehungswissenschaftler Hermann Giesecke wird zitiert, der schon seit Jahren warne, dass fast alles, was die moderne Schulpädagogik für fortschrittlich halte, Kinder aus bildungsfernem Milieu benachteilige.

 

Es komme auf das Handeln der Lehrerinnen und Lehrer an. Sie sollten das Vorwissen für neue Lernschritte bei ihren Schülerinnen und Schülern nicht einfach voraussetzen (Startillusion), sondern sorgfältig, rechtzeitig und fantasievoll in Erfahrung bringen. Auch sollten sie sich von der Autonomieillusion verabschieden, nämlich der Annahme, dass Kinder selbst am besten wüssten, was gut für sie sei. Stattdessen solle deren entwicklungspsychologischem Bedürfnis nach Anleitung, Erklärung und Orientierung nachgegangen werden sowie eine Palette an Verstehens-, Trainings- und Überprüfungsaktivitäten organisiert werden, statt sich mit zwei oder drei bestätigenden Schülerantworten zufrieden zu geben.

 

Dabei würden die Befunde dieser Analyse wie ein Gegenstück zur „gängigen Reformeuphorie“ wirken, da sie für die Verfeinerung von Bewährtem sprächen. So sei die Studie eine Absage an jede Selbstlernidylle. Auch in der Pädagogik gehe es nicht um Innovation, sondern es gelte, beständig daran zu arbeiten, bereits Gedachtes noch einmal zu überdenken und zu verbessern.

 

Uni Vechta: Modellprojekt „Migration und Studium“

 

Das Modellprojekt zur Integration ausländischer Studiereder an der Universität Vechta stellt eine erste Zwischenbilanz vor. Das Modellprojekt „Migration und Studium“ findet im Rahmen des Programms PROFIN – Programm zur Förderung der Integration ausländischer Studierender und wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert. Ziel des Projekts sei es, die Fähigkeiten und Kompetenzen von Studentinnen und Studenten mit Migrationshintergrund zu erkennen und auszubauen. Das Projekt läuft noch bis Juli 2012.

 

Patrick Bauer – „Die Parallelklasse“

 

In seinem Buch ,Die Parallelklasse. Ahmed, ich und die anderen – Die Lüge von der Chancengleichheit.‘ beschreibt Patrick Bauer rückblickend seine Schulzeit in einer Schulklasse im Kreuzberg der 90er-Jahre. Zufällig trifft er beim Joggen seinen ehemaligen Schulkameraden Ahmed wieder. Die Lebenswege der beiden haben sich in der sechsten Klasse getrennt. Damals kommt Patrick auf ein Gymnasium während Ahmed die Realschule besuchen soll. Beide entwickeln sich völlig unterschiedlich, verlieren einander aus den Augen bis sie sich als erwachsene Menschen im Park wieder treffen. Im Anschluss an die zufällige Begegnung beginnt Patrick, nach seinen ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern zu suchen, sich für deren Geschichten zu interessieren und sie aufzuschreiben.

 

Im Freitag wird der Roman, der zahlreiche autobiographische Versatzstücke enthält auf die heutige Situation in Berlin übertragen. Dort gibt es ein Interview mit Patrick Bauer zum Zuhören, bei vorwaerts.de eine Rezension. Im Interview betont Bauer, dass ein Grund, das Buch zu beginnen, die Tatsache gewesen sei, dass nie mit den Menschen geredet werde, über die man z.B. in der Integrationsdebatte spricht.

 

Integration – vor allem eine Sache der Bürgerinnen und Bürger?

 

Der Cicero nähert sich dem Thema Integration aus anderer Perspektive. Hier wird betont, dass die eigentliche Integrationsarbeit nicht von Politik und Institutionen geleistet werde, sondern vor allem von „ganz einfachen Bürgerinnen und Bürgern, die mit Menschen aus anderen Kulturkreisen zusammenleben“.

 

Foto: flickr.com / Axel Schwenke / Erdfunkstelle Usingen 2005 / CC BY-SA 2.0