Das System Schule basiert auf durchstrukturierten Hierarchien, in denen für die Schülerinnen und Schüler meist wenig Spielraum für eigene Interessen und Ideen bleibt. Je länger der Schulalltag den Lebensraum der Jugendlichen bestimmt, desto weniger kann sich das System partizipativer Elemente durch die Jugendlichen verweigern, soll das demokratische Bewusstsein der Jugendlichen ausgebildet und gestärkt werden. Boris Brokmeier vom Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. erklärt, warum es außerschulischer Bildungseinrichtungen bedarf, um die Jugendlichen für ihre Rechte und Chancen zu sensibilisieren.

 

Die Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern an ihren Schulen stellt seit Jahrzehnten ein zentrales Arbeitsfeld der außerschulischen politischen Bildung dar. Klassensprecherinnen und Klassensprecher,  Schülersprecherinnen und Schülersprecher, aber auch interessierte Schülerinnen und Schüler lernen in Seminaren der politischen Bildung, wie sie in ihren Funktionen erfolgreich die Entscheidungen in ihren Schulen beeinflussen und partizipativ wirken konnten.

 

Ganztagsschulen und das damit verbundene ganztägige Lernen werden in Deutschland stetig weiter ausgebaut, und im Jahr  2010 waren bereits 46 Prozent aller Schulen als Ganztagsbetrieb organisiert. Auch wenn sich unter dem Sammelbegriff Ganztagsschule eine große Variationsbreite von Möglichkeiten zur Realisierung dieses Schultyps in den 16 Bundesländern bietet, sind jedoch das Mittagessen und der Unterricht bzw. die Betreuung an drei Nachmittagen in der Woche charakteristisch für diese Schulform. Mit dem Aufstieg der Ganztagsschule zu einer bundesweiten schulpolitischen Größe veränderte sich die Situation für die Schülervertretungen. Plötzlich wurde die Schule zum Hauptaufenthaltsort der Schülerinnen und Schüler während des gesamten Tages. Dazu kam noch ein vornehmlich von der Schulleitung initiiertes Betreuungsangebot für den Nachmittag, dessen Zustandekommen nicht immer an den Interessen der Schülerinnen und Schüler orientiert war.

 

Der Partizipation der Schülerinnen und Schüler wurde damit eine ganz neue Dimension zuteil, denn es ging nicht mehr nur um die formale Mitbestimmung, sondern vielmehr um die Mitwirkung an der Gestaltung des Alltags. Dahinter steht die Frage, wie ein klar hierarchisiertes System von Schule demokratisch organisiert werden kann, wenn es alltagbestimmend für alle Beteiligten ist und vormals frei verfügbare Zeit in verplante Schulzeit transformiert?

 

Die viel beachtete StEG-Studie zur Entwicklung der Ganztagsschulen, die vom Deutschen Jugendinstitut und dem Deutschen Institut für Internationale pädagogische Forschung durchgeführt wurde, förderte bereits als ein Ergebnis ein deutlich erhöhtes Maß der  Beteiligung von Schülerinnen und Schüler an den zusätzlichen Angeboten als am Unterricht zutage. Beteiligung meint hier das Mitentscheiden über Angebote und das Einbringen eigener Ideen und Vorstellungen. Die Untersuchung gibt aber keine Auskunft über die Strukturen und das Zustandekommen dieser Entscheidungen und wie demokratisch sie gefasst wurden.

 

Die außerschulische politische Jugendbildung in den Einrichtungen des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten (AdB) hat sich dieses Themas angenommen und die Partizipation in und mit der Schule zu einem zentralen Themenschwerpunkt auserkoren. Selbstbestimmung und -organisation als Prinzipien der außerschulischen Jugendarbeit müssen auch weiterhin gewahrt bleiben und dürfen nicht den Schulen übereignet werden. Politische Jugendbildung muss deshalb die Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten ausloten und junge Menschen in die Lage versetzen, diese auch zu nutzen und zu gestalten. Dieser Themenschwerpunkt konkretisiert die bereits vorhandenen Aktivitäten zur Partizipation junger Menschen und fokussiert diese auf die partizipativen Modelle insbesondere in der Ganztagsschule. 

 

Die politische Jugendbildung ist außerschulisch in freien Trägen organisiert und folglich nicht Teil des Systems Schule sondern der Kinder- und  Jugendhilfe. Es geht also darum, beide Systeme für alle Gewinn bringend zu verzahnen. Das passiert in Seminaren für Schülervertretungen und Klassensprecher, die vornehmlich an einem dritten Ort, nämlich einer Bildungsstätte stattfinden. Dort ist genug räumlicher Abstand zur Schule vorhanden, um sich an drei oder mehr Tagen intensiv mit Beteiligungsmöglichkeiten und deren Reflexion sowie Projektideen zur Beteiligung am schulischen Leben auseinanderzusetzen. 

 

Andere Partizipationsprojekte finden dagegen direkt in der Schule statt und sind in den schulischen Alltag integriert. Als aktuelles Beispiel sei hier das Projekt eines Trägers politische Bildung genannt, der in Schulen sog. Klimalotsen ausbildet und auf diesem Wege eine Verbindung von aktuellen Themen mit dem Bedarf nach Partizipation der Schülerinnen und Schüler herstellt.

 

Während eines fünftägigen “Klimalotsen-Projekts” können Schülerinnen und Schüler den nachhaltigen Umgang mit unserer Erde als eine attraktive und spannende Herausforderung erfahren und Chancen und Möglichkeiten zur Gestaltung einer “klimafreundlichen” Schule praktisch erleben. Im ersten Baustein lernen die Teilnehmenden die Klimaveränderungen, ihre Ursachen und Folgen kennen und setzen sich mit Hilfe von Interviews mit Experten mit grundlegenden Fragen zum Klimaschutz auseinander. Im zweiten Baustein spüren sie als “Klimadetektive” Energieverschwender in ihrer Schule auf, dokumentieren und analysieren die Umweltauswirkungen. Sie erkennen die Herausforderungen des Klimaschutzes an ihrer Schule, entwickeln konkrete Ideen und Projekte für eine klimafreundliche Schule und legen erste Handlungsschritte zur Umsetzung der Ideen fest. Darüber hinaus entwickeln die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen im Umgang partizipativer  Strategien in dem für die wichtigen Lebensraum Schule, die sie auch in anderen Bereichen ihres Lebens, wo es darum geht, sich zu engagieren oder mitzubestimmen, sinnvoll einsetzen können.   

 

Foto: Flickr/Peerup