Zu Beginn dieses Jahres erhielt das Online-Planspiel InterCulture 2.0 der Universität Jena auf der LEARNTEC 2014 den E-Learning-Preis d-elina. Die Medienpädagogin Tahara Santl-Velder war vor Ort und hat für werkstatt.bpb.de einen der Preisträger genauer unter die Lupe genommen: Welchen Mehrwert bietet das Online-Planspiel den Anwender_innen? Und welche Kompetenzen werden tatsächlich gefördert?

 

„Interkulturalität nicht mehr nur thematisieren, sondern aktiv praktizieren“, so beschreibt Entwicklerin Anita Weißflog den Kern des Online-Planspiels InterCulture 2.0. Gemeinsam mit Jürgen Bolten, Professor für Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, konzipierte sie eine Lerninfrastruktur. Diese besteht aus einer Lernplattform, dem Intercultural Campus, verschiedenen Materialien zum Selbststudium, dem Virtual Classroom mit Livestreams und Foren sowie einer „Marktsimulationsdatenbank“. Das Online-Planspiel wurde Anfang Februar mit dem E-Learning Innovationspreis d-elina Campus 2014 ausgezeichnet, der jährlich an Konzepte, Lösungen und Produkte verliehen wird, die digitale Medien in beispielhafter Form in Lernprozesse integrieren – in diesem Fall für den Bereich Hochschule.

 

InterCulture 2.0 ist als Semesterveranstaltung der Universität Jena angelegt, in der sich vier Teams aus unterschiedlichen Ländern einmal wöchentlich virtuell verarbreden, um als Unternehmen für Trinkflaschen auf dem Weltmarkt zu handeln. Dabei geht es nur am Rande um betriebswirtschaftliche Aspekte und hauptsächlich um Bedingungen virtueller und zugleich interkultuereller Teamarbeit wie z.B. Mehrsprachigkeit, kulturelle Differenzen oder Zeitverschiebungen. So soll interkulturelle Kompetenz ganzheitlich gefördert werden.

 

Die Anwender_innen können sich von überall in das Planspiel einloggen und direkt miteinander interagieren: Im Virtual Classroom arbeiten sie an verschiedenen Standorten mit Webcam, Whiteboard und Chat synchron zusammen, sehen und hören sich, laden Dokumente hoch und bearbeiten sie. Die so entstandenen Videosequenzen werden aufgezeichnet und anschließend gemeinsam in Bezug auf die verschiedenen, für interkulturelles Handeln relevanten Aspekte, analysiert. Dabei spielen beispielsweise Kooperations- und Kommunikationsverhalten, Sprecher_innenwechsel und interkulturelles Teamverhalten eine Rolle. Später werden diese Einheiten als Lernmaterial gemeinsam mit anderen Materialien auf der Lernplattform zur Verfügung gestellt und die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen in die Datenbank eingepflegt.

 

Das umfassende Verständnis und die didaktische Konzeption von Interaktivität erscheinen als große Stärken des Online-Planspiels. Interaktivität bezieht sich hier nicht nur auf die virtuelle, aber direkte „Face-to-Face“-Kommunikationssituation, sondern auch auf das „offene, projektorientierte Lehr-Lernszenario“, in dem die „Steuerungsanteile der Lehrperson gering sind“, wie ein Video von Interculture TV verdeutlicht.

Die Kommunikation findet mit Zeitverschiebungen, an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Sprachen statt, was gerade für solche Studierende hilfreich sein kann, die an ihrer Universität wenig internationale Kommiliton_innen haben. 

Studierende lernen, in virtuellen interkulturellen Kontexten kompetent zu agieren und komplexe Aufgaben zu lösen. Dabei werden videobasierte Aufzeichnungen gemeinsam mit einer Lehrperson für Selbstreflexionsprozesse genutzt. Medienkompetenz wird so mit „interkultureller Selbst- und Sozialkompetenz“ verknüpft. Das Projekt, so Weißflog, ist bereits im Curriculum mehrerer Universitäten verankert und könnte z.B. auch im Kontext des dualen Ausbildungssystems genutzt werden. Im schulischen Bereich wäre nach einigen Anpassungen eine Verwendung für höhere Klassen denkbar.

 

Wie das genauere Betrachten zeigt, hat das Projekt ein Innovationspotential, das auch für einzelne Anwender_innen unmittelbar relevant ist. Dieses zeigt sich jedoch nicht auf den ersten Blick, sondern wird erst nach Gesprächen mit den Beteiligten und weiteren Recherchen deutlich. Es ist wünschenswert, dass der Wert für einzelne Anwender_innen künftig im Vorfeld transparenter gemacht und auch als Kriterium für die Preisvergabe berücksichtigt wird. Zudem sollte darüber nachgedacht werden, mit welchen Kommunikationskanälen Anwender_innen in ihrer Sprache über den potentiellen Nutzen neuer Online-Projekte informiert werden können. Denn schließlich sind es am Ende die Anwender_innen, die über Sinn, Unsinn und vor allem den Nutzen solcher Online-Angebote entscheiden.

 

 

Foto: flickr/perhapstoopink, Lizenz: CC BY 2.0