Neue Impulse für die Bildungswelt: Bericht zum Finale der Workshopreihe “Open Educational Development: (100 Jahre) Erster Weltkrieg”

Am 13. Dezember endete die Workshopreihe “Open Educational Development: (100 Jahre) Erster Weltkrieg”. In insgesamt drei Workshops lud die Werkstatt der Bundeszentrale für politische Bildung alle Interessierten ein, gemeinsam offene Bildungsmaterialien (OER) zum Thema “Erster Weltkrieg” zu entwickeln. Welche Tools und Plattformen wir getestet haben, wie Straßen, Daten, Erster Weltkrieg und OER zusammenpassen und was am Ende offen blieb, können Sie in unserem Bericht nachlesen, -sehen und -hören.

 

Rückblick: Der erste und zweite Workshop

2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Aus diesem Anlass startete Werkstatt.bpb eine Workshopreihe zur Entwicklung offener Bildungsmaterialien (OER) zum Thema “Erster Weltkrieg”. Das erste Treffen im August 2013 (ausführlicher Bericht und Mitschnitte hier) diente dem Überblick: Welche Perspektiven oder Methoden bieten zeitgemäße Zugänge zum Ersten Weltkrieg? Welche Themen und Formate eignen sich für die schulische und außerschulische Bildung? Ganz bewusst sollten Definitionen von OER und die mit OER im Zusammenhang stehenden Herausforderungen für den Schulalltag nicht im Zentrum stehen.

 

Auf Wunsch der Teilnehmenden rückten im zweiten Workshop (ausführlicher Bericht und Mitschnitte hier) rechtliche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Lizenzierung von Bildungsmaterialien in den Fokus. John Weitzmann (iRights / CC-Deutschland) zeigte in einem Input eklatante Mängel in der bestehenden rechtlichen Privilegierung des Bildungsbereichs auf und machte damit die Notwendigkeit von OER auch im schulischen Kontext deutlich.

 

Im Anschluss gab Miriam Hannig (Universität Augsburg / EHISTO) Einblick in verschiedene nationale Erinnerungskulturen und Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg und lieferte Anregungen für transnationale und multiperspektivische Zugänge. Am Ende des zweiten Workshops standen Entwürfe für zwei Fragenkataloge mit mikrogeschichtlichem Ansatz und Anfänge einer Sammlung brauchbarer OER-Tools. Dazu wurden u.a. diese Fragen und Forderungen an zeitgemäße Bildungsmaterialien formuliert: Welche Materialien fördern Lernen 2.0? Wie können Bildungsmaterialien zum Ersten Weltkrieg unterschiedliche Migrationsgeschichten einbeziehen? Wie lassen sich Technik- und Waffenbegeisterung heutiger Jugendlicher aufgreifen? Und wie kann das Thema Erster Weltkrieg über postkolonialistische und friedensgeschichtliche Perspektiven erschlossen werden?

 

 

Der dritte Workshop: Wünsche und Erwartungen

Auch im Vorfeld des dritten Workshops am 13. Dezember 2013 fragte Werkstatt.bpb via Projektblog und Rundmail nach den Vorstellungen und Wünschen der Teilnehmenden. Aus den Rückmeldungen ergab sich ein starkes Interesse an vorhandenen OER-Tools und -Plattformen. Daneben wurde der Wunsch nach gemeinsamer Arbeit an und Didaktisierung von vorhandenen “Rohmaterialien” (z.B. historische Fotos, Texte, Videos oder Audios) an uns herangetragen. Also fragten wir verschiedene Inputs und Impulse zu vorhandenen, erprobten und brauchbaren OER-Plattformen, -Basismaterialien und -Werkzeugen an.

 

OED = Brauchbare Tools + Kulturwandel + viel Zeit

Den Anfang machte Julian Kulasza vom Medienkompetenzzentrum Berlin Pankow (mezen). Er präsentierte die Lessons Learned einer “Schwester”-Fortbildungsreihe zu OER, veranstaltet von der Agentur für Medienbildung – Mediale Pfade und dem Wikimedia Deutschland e.V. Das erste Fazit: Informationen zu theoretischen Grundlagen von OER sind nach wie vor gewünscht und auch erforderlich. Das zweite: Die Bedeutung einer “Kultur des Teilens” ist vielen Anwender_innen und Entwickler_innen von Bildungsmaterialien bisher nicht bewusst und verbreitet sich vor allem im schulischen Kontext nur langsam. Das dritte Fazit: OER-Workshops, die nicht nur der Information sondern auch der Entwicklung dienen sollen, brauchen Zeit – ideal wären “drei, vier oder fünf Tage”, so Kulasza.

Julian Kulasza stellte zudem Tools und Webseiten vor, die das Suchen, Finden und Erstellen von OER maßgeblich erleichtern: darunter CC-Search von Creative Commons und die Meta-Suchmaschine OER Commons. Er wies darauf hin, dass neu erstellte Materialien unbedingt für alle sichtbar mit einer Lizenz ausgezeichnet sein sollten (Im Fall von CC-Lizenzen z.B. mit dem CC-Licence-Manager).

Auch OER-kompatibel: Alle Inhalte und Ergebnisse der Workshops wurden in einem Slide-Wiki festgehalten und stehen somit automatisch unter der CC BY-SA-Lizenz.

 

Der Input von Julian Kulasza und die anschließende Fragerunde können hier nachgesehen werden:

 

 

 

OER nutzen und weiter entwickeln: Die Plattform “segu”

Im Anschluss stellte Christoph Pallaske, Geschichtsdidaktiker an der Universität Köln, die Lernplattform “selbstgesteuert entwickelnder Geschichtsunterricht” – segu vor. Die Plattform richtet sich in erster Linie an Schüler_innen, darüber hinaus aber auch an Lehrende, und enthält u.a. OER zum Ersten Weltkrieg. Das Lernkonzept folgt dem offenen Geschichtsunterricht, d.h. dass die Module (z.B. im Rahmen einer Wochenplanarbeit) eigenständig von den Schüler_innen bearbeitet werden können. Der Bereich zum Ersten Weltkrieg enthält derzeit sieben Lernmodule, ein Lernvideo und eine LearningApp. Ein Beispiel daraus: Das Modul “Moderner Krieg” setzt die technischen Entwicklungen in Beziehung zu verschiedenen Fronterfahrungen. Als Quellen stehen Briefe, Tagebucheinträge und Fotos zur Verfügung. Dabei betonte Pallaske in seinem Input, dass die Grauen des Ersten Weltkrieges entsprechend des Beutelsbacher Konsens‘ ohne Betroffenheitspädagogik zu vermitteln sind. Zudem verwies er auf die interaktive Erweiterung der Lernplattform, “segu-Projektor”: ein Mitmach-Portal für Schüler_innen, auf dem eigene Projekte oder Ergebnisse aus den segu-Modulen veröffentlicht werden können.

 

Christoph Pallaske ermunterte alle Teilnehmenden ausdrücklich zur Erstellung von OER, rechtliche Fragen sollten niemanden abschrecken. In diesem Kontext gab er folgenden hilfreichen Tipp: Der Link “Use this File“ von Wikimedia-Bilddateien führt sofort zu den notwendigen Bildangaben.

 

Die Folien zu Christoph Pallaskes Input können Sie online einsehen. Hier der Mitschnitt des Vortrags:

 

 

 

Die Arbeitsgruppen: Wie Straßen, Daten, Erster Weltkrieg und OER  zusammen passen
Anders als in den vorangegangenen Workshops waren für die Arbeitsgruppen ebenfalls Expert_innen eingeladen, die für die weitere Entwicklung von OER Impulse setzten. Im ersten Workshop stellten Frank Reichherzer und Friederike Höhn von der Humboldt-Universität zu Berlin die Plattformen “Europeana”“Europeana 1914-1918”  und “Europeana Collections 1914-1918” vor. Per Crowdsourcing und mittels Digitalisierung von Bibliotheksbeständen wird auf diesen Plattformen gemeinfreies und offen CC-lizenziertes “Rohmaterial” (Digitalisate von Fotos, Illustrationen, Alltagsobjekten, Büchern etc.) angeboten. Unter Anleitung von Frank Reichherzer und Friederike Höhn erprobte und diskutierte die Arbeitsgruppe, inwiefern solche Materialien für einen “Educational Re-Use” geeignet sind.

 

Schon bei der Suche nach Visualisierungen zur “Straße” im Ersten Weltkrieg (als Ort der Kommunikation, Feminisierung, Durchsetzung von Ordnung und Herrschaft, zugleich Ort der Rebellion, als Bühne, Katalysator des Stellungskrieges und zugleich dynamischer Gegenort zum Stellungskrieg etc.) stieß die Arbeitsgruppe auf vielfältige Herausforderungen: Bei vielen Materialien aus den “Collections” ist das Urheberrecht ungeklärt, die Metadatensätze sind unterschiedlich ausführlich, wichtige Informationen zum (Entstehungs-) Kontext fehlen. Zusammenstellung und Verschlagwortung der Materialien folgen der Logik von Archivaren und Bibliothekaren, nicht der (Such-)Logik von OER-Entwickler_innen. Insgesamt kann die wenig(er) zielgerichtete Suche in der Europeana durchaus inspirierend sein; sucht man jedoch ein ganz bestimmtes Digitalisat, wird man i.d.R. enttäuscht. Hier lautete das Fazit der Gruppe: Die Weiterverwendung für Bildungszwecke muss bei Digitalisierungsprojekten wie der Europeana, d.h. bei der Zusammenstellung und Verschlagwortung der „Rohmaterialien“, mehr berücksichtigt werden. Archivare, Bibliothekare und verschiedene Anwender_innen und Nutzer_innen müssen in stärkeren Austausch treten. Die Konferenz “Un-Locking Sources”, die im Januar 2014 in Berlin stattfindet, scheint genau dies anzustreben. Wir sind gespannt!

 

In der zweiten Gruppe berichtete Datenjournalist und Open Data-Experte Michael Hörz über Online-Tools, die sich für die Visualisierung von Daten zum Ersten Weltkrieg eignen. Ein paar Beispiele für das Erstellen von interaktiven Statistiken & Schaubildern (z.B. Zeitleisten und Landkarten), die später auf der eigenen Seite eingebettet werden können: die Open Source-Angebote Data Wrapper und TimeMapper mit den Napoleonischen Kriegen und dem Verlauf des Ersten Weltkrieges in derstandard.at (die Karten auf Basis von Open Street Map). Aber nicht alle Tools eignen sich für den Gebrauch im Schul- bzw. Bildungskontext: Müssen z.B. persönliche Daten bei der Anmeldung hinterlegt werden? Wie müssen die Daten aufbereitet sein (leider oft Google-basiert)? Und eine weitere Frage: Gibt es auch entsprechende Tools, die ein kollaboratives Arbeiten ermöglichen?

 

Diskutiert wurde auch dieser Anknüpfungspunkt für die Schulpraxis: Auf genealogy.net, dem Wiki-Genealogie-Informationsportal, lassen sich Verlustlisten für verschiedene Städte- und Ortsnamen des Ersten Weltkrieges anzeigen.

 

 

Offenes Ende!?
„Nun könnten wir richtig loslegen“, war das Gefühl einiger Teilnehmender, die bei zwei oder drei Workshops der Reihe dabei waren. Am Ende des dritten Workshops hatten die Teilnehmenden viele Plattformen, Tools und Ideen für methodisch-didaktische Ansätze gesichtet und zusammengetragen, aber nur wenige (Projekt-) Ideen für konkrete neue OER entwickelt. Führt also mehr externer Input dazu, dass der Rahmen für die eigene Ideenentwicklung eingeengt oder verlassen wird? War das Thema zu breit, die Zielgruppe zu heterogen oder die Zeit zu knapp?

 

Das Werkstatt-Team hatte sich zu Beginn der Reihe vorgenommen, insbesondere das Setting für die Entwicklung von Ideen zur Verfügung zu stellen und den (möglichst offen gestalteten) Prozess des Open Educational Development auch selbst als Ziel zu begreifen. Alle Workshops stießen bei einem breiten Zielpublikum auf großes Interesse, bei jedem Workshop kamen 20 bis 30 Teilnehmende aus unterschiedlichsten Berufsfeldern vor Ort zusammen, dazu verfolgten jeweils 50 bis 100 Teilnehmende die Workshops via Livestream. Für dieses Interesse möchten wir herzlich danken! Es entwickelte sich jedoch wenig Initiative, das Angebot der Werkstatt für die konkrete Entwicklung von offenen Bildungsmaterialien und Projektkonzepten zu nutzen – zumindest nicht im Rahmen der OED-Reihe. Als Werkstatt fragen wir uns, ob hier mehr Vorleistung durch das Werkstatt-Team notwendig gewesen wäre oder was die Teilnehmenden brauchen, um tatsächlich loszulegen…

 

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Foto: Kooperative Berlin / CC BY-SA 3.0