Neue Impulse für die Bildungswelt: 1. OED-Workshop zum Thema Erster Weltkrieg

Die Werkstatt der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelt gemeinsam mit Interessierten offene und freie Bildungsmaterialien zum Thema Erster Weltkrieg. Am 17. August fand der erste von insgesamt drei Workshops statt. Dort trafen sich Lehrerinnen und Lehrer, Vertreterinnen und Vertreter der bpb, Bildungsinteressierte und (Gedenkstätten-) Pädagoginnen und Pädagogen. Die Workshopreihe startete ganz offen. Die inhaltliche Fokussierung, Themen und Ergebnisse der Arbeitsgruppen des ersten Workshops hingen von den Wünschen, Vorstellungen und Ideen der Teilnehmenden selbst ab. Zum Teil waren diese schon ganz konkret. Im Sinne der Transparenz, der Offenheit und Nachvollziehbarkeit, erfolgt hier die Dokumentation des ersten Workshops.

 

Ausschnitte aus dem OED-Workshop Erster Weltkrieg von werkstatt.bpb.de from kooperative-berlin on Vimeo.

 

Der Erste Weltkrieg prägte als Zäsur des 20. Jahrhunderts den weiteren Verlauf der Geschichte maßgeblich. Er ereignete sich im Spannungsfeld vielfältiger gesellschaftlicher Gegensätze und Konflikte. Demokratisierungstendenzen standen neben traditionellen Herrschaftsansprüchen und nationalen Sinnkrisen. Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert führte zu hochgerüsteten Militärapparaten und ermöglichte lange und verheerende Interventionsmanöver. 2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal. Anlässlich dieses Jahrestags rückt der Erste Weltkrieg stärker in den Fokus von historisch-politischen Bildnerinnen und Bildnern, Gedenkstätten und Museen. Wie aber sehen zeitgemäße offene und freie Bildungsmaterialien zum Thema aus? Dieser Frage geht die Werkstatt der bpb gemeinsam mit allen Interessierten in der Workshopreihe des Open Educational Development (OED) nach.

 

Im Mai dieses Jahres hat die Werkstatt der bpb bereits einen OED-Prozess zum Thema “Rechtsextremismus” gestartet und erste Erfahrungen mit offenen Workshops gesammelt. Trotzdem waren wir gespannt auf das neue Thema, die neue Gruppe und deren Impulse. Wie stark stehen die Anwesenden im Thema und was ist ihre Motivation für die Workshopteilnahme? Nach den Erfahrungen der ersten beiden OED-Workshops zum Thema Rechtsextremismus gab es für die Werkstatt unter anderem das Ziel, nicht zu sehr auf der Meta-Ebene von Open Educational Resources (OER) zu verweilen. Trotzdem sollte und konnte das Thema bei einem Workshop, in dem offene Materialien entwickelt werden, natürlich nicht ausgespart werden. Die Idee der Werkstatt war daher, möglichst viele Aspekte von OER während der Diskussion mitzudenken, z.B. den Aspekt der Auffindbarkeit, die Lizenzierung und mögliche methodische Ansätze beim direkten Einsatz offener Materialien im Unterricht etc. an relevanten Stellen konkreter zu beleuchten. Geplant und verabredet war, dass dieses Mal verstärkt die inhaltlichen und methodischen Aspekte des Themas Erster Weltkrieg und seine Relevanz für den schulischen Geschichtsunterricht im Fokus stehen sollten. 

 

Während der vorbereitenden Brainstormings zu dem ersten Workshop standen folgende Fragen im Zentrum: Welche Relevanz hat der Erste Weltkrieg für den Geschichtsunterricht im Schulkontext heute, welche Methoden eignen sich, um einen spannenden Geschichtsunterricht zu gestalten und die Schülerinnen und Schüler für das Thema zu interessieren? Welche Materialien gibt es dazu bereits im Internet und wie sind diese lizenziert?

 

Der Erste Weltkrieg im Internet – Input von Jan Hodel

Der Workshoptag selbst begann mit einer knappen Einführung über das Warum und Wie des zweiten OED-Prozesses, der Vorstellung des Tagesablaufs, einer kurzen Vorstellungsrunde der Teilnehmenden und einigen Stichpunkten zum Thema OER. Im Anschluss beleuchtete Jan Hodel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für politische Bildung und Geschichtsdidaktik an der Fachhochschule Nordwestschweiz, via Liveschalte zunächst die Darstellung des Ersten Weltkriegs im Internet. Dabei orientierte er sich an der Linkliste Geschichtslernen von Christoph Pallaske. In seinem Vortrag problematisierte Jan Hodel insbesondere den Umgang mit der freien Enzyklopädie Wikipedia und fragte nach der Bedeutung der Wikipedia für den Schulalltag. Hodel verwies darauf, dass die Wikipedia-Einträge zum Ersten und Zweiten Weltkrieg die am meisten aufgerufenen Seiten zu einem historischen Thema seien. Die Schlussfolgerung: Lehrende (Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) und Lernende müssen sich differenziert mit Inhalten, Quellen und Autorschaft der Wikipedia-Beiträge auseinandersetzen und spezifische Fragen im Unterricht thematisieren. Wer sind die Autorinnen und Autoren der Artikel, welche Themenaspekte sind strittig und werden in den Foren diskutiert, wo bestehen Auslassungen in der Darstellung? Welche Quellen werden verwendet und wie sind diese lizenziert? Hinsichtlich möglicher methodischer Zugänge für den Schulkontext sprach Hodel die oftmals rein militärgeschichtliche Ausrichtung vieler Bildungsmaterialien zum Ersten Weltkrieg an. Traditionelle Lehrmaterialien seien bisher oft auf Datensammlungen und Schlachtszenarien reduziert. 

 

Jan Hodel hat uns seine Präsentation freundlicherweise zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. 

 

Die “Zwischenrufe”

Dem Input von Jan Hodel folgten weitere Mini-Inputs – “Zwischenrufe” – als ein neues Element der OED-Workshops. Im ersten “Zwischenruf” gab Thomas Fettien, bpb, eine Übersicht über die Struktur und den Inhalt des bpb-Dossiers zum Ersten Weltkrieg und die darin enthaltenen Medienformate. Der Fokus des bpb-Dossiers geht mit Themen wie “Frauenarbeit und Geschlechterverhältnisse” und “Zivilisationskrise und moderne Kunst” weit über die militärischen und ereignisgeschichtlichen Aspekte hinaus. Wesentlich und wichtig für die Teilnehmenden war der Hinweis auf die Lizenzierung: Da die bpb-Materialien alle unter der CC-Lizenz BY-NC-ND 3.0 DE (nur für nicht-kommerzielle Nachnutzung, keine Bearbeitung möglich) stehen, können sie nicht als offene Bildungsmaterialien gelten.  

 

Die Ausgangsfrage des zweiten “Zwischenrufs” von Tommy Sitte, Lehramtsstudent an der Uni Jena, war, wie das Thema Erster Weltkrieg für Schülerinnen und Schüler im Unterricht interessant aufbereitet werden kann. Im Fokus seines Kurzvortrages standen mikrogeschichtliche Ansätze: Wie sah beispielsweise 1914 der Geschichtsunterricht aus? Wie haben sich Soldaten an der Front gefühlt? Was haben Jugendliche zur Zeit des Ersten Weltkriegs gemacht?

 

Im Anschluss an die “Zwischenrufe” entspann sich eine angeregte Diskussion. Eine kurze Diskussionsphase drehte sich um das Thema der Auffindbarkeit mikrohistorischer Materialien und die Notwendigkeit der eindeutigen Quellenzuordnung, damit die Quellen im schulischen Geschichtsunterricht entsprechend analysiert werden und die Schülerinnen und Schüler mit Ihnen arbeiten können.

 

Die Arbeitsgruppen

Im Anschluss bildeten sich auch dieses Mal vier Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die erste Arbeitsgruppe griff den Gedanken von Tommy Sitte auf und konzentrierte sich insbesondere auf den mikrogeschichtlichen Ansatz für die schulische Vermittlung bzw. die aus der Museumspädagogik kommende Methode der Living History. Beispiel für einen möglichen Quellenfundus für einen Tagebucheintrag, eine Postkarte etc. ist die Online-Plattform Europeana 1914 – 1918, eine Initiative, die den Ersten Weltkrieg anhand persönlicher Erinnerungen als europäisches Ereignis darstellt. (Die Materialien sind überwiegend nicht frei lizenziert.) Eine Idee, die auf dem Workshop aufkam und weiter entwickelt werden könnte: Eine OER-Biografie-Plattform, auf der Lehrerinnen und Lehrer sich informieren und eine Biografie für den Unterricht auswählen können. 

 

Die zweite Arbeitsgruppe erörterte interdisziplinäre Vermittlungsformate innerhalb und außerhalb des Schulalltags, insbesondere auch mit Blick auf den Ansatz des lebenslangen Lernens. Eine Idee, die in der Arbeitsgruppe aufkam, war die Ausarbeitung einer Themenwoche, in der das Thema Erster Weltkrieg fächerübergreifend behandelt wird. Als Ergebnis des OED-Workshops könnte eine Art Baukasten zum Ersten Weltkrieg stehen, in dem alle Fächer, z.B. Geschichte, Deutsch, Kunst, Chemie berücksichtigt sind.

 

Die dritte Gruppe widmete sich der Verfügbarkeit von Materialien und griffigen Informationsangeboten (zu urheberrechtlichen Bestimmungen und Lizenzierungsmodellen) für die Lehrenden im Netz. Dabei wurde vor allem auf die Notwendigkeit der klaren Kennzeichnung von geschütztem, bzw. freiem Material bei öffentlichen Institutionen hingewiesen. Die Ideen der Arbeitsgruppe: eine Übersicht zu lizenzfreien historischen Bilddatenbanken oder auch eine Plattform, die Materialien auf ihre OER-Kompatibilität prüft.

 

Die vierte Arbeitsgruppe setzte sich mit multiperspektivischen Ansätzen und der prinzipiellen Frage nach den nationalen Erinnerungsdiskursen auseinander. Wie und in welcher Form wird an den Ersten Weltkrieg je nach nationalem Fokus erinnert z.B. durch Denkmäler, Gedenktage, Mythen? Ein Ansatz: Die Ermittlung, wie sich die Darstellung und Vermittlung des Ersten Weltkrieges in verschiedenen Schulbüchern im europäischen Raum im letzten Jahrhundert verändert hat.

 

Das Konzept der Werkstatt, das Thema OER nicht zu sehr auf der Meta-Ebene zu diskutieren, ging bei dem ersten OED-Workshop zum Thema Erster Weltkrieg auf. Neben der Frage nach den geeigneten Quellen und Lizenzen stand beim ersten Workshop insbesondere die (angemessene und nachhaltige) Aktivierung für die Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg im Zentrum der Diskussion. Wie kann das Interesse von Schülerinnen und Schülern für den Ersten Weltkrieg geweckt werden, welche Methoden der Geschichtsvermittlung eignen sich besonders, welche weniger? Welche Chancen und Herausforderungen bietet insbesondere die Arbeit mit Biografien von Frontsoldaten und anderen Zeitzeugen und -zeuginnen des Ersten Weltkriegs? 

 

Und wie geht es nun weiter?

Zuallererst bedanken wir uns noch einmal bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die es an diesem Samstag um 9 Uhr in den Berliner Wedding geschafft haben! Am Ende stehen zum Teil schon konkrete “Hausaufgaben” wie eine Schulbuchrecherche oder eine weitere Themenidentifizierung für die mikrogeschichtliche Vermittlung. Z.B. Kampfmittelproduktion, Industrie(-geschichte) oder Architektur? Die Diskussionen im Plenum und in den Arbeitsgruppen sind jeweils wie gewohnt in den Etherpads dokumentiert, können von allen Interessierten nachgelesen, kommentiert und weiter bearbeitet werden. Bei Bedarf richten wir auch gerne weitere Etherpads ein. Die Abstimmungen für den Termin für das nächste Treffen laufen bereits. Etwas anders als beim ersten Workshop vereinbart, wird der zweite Workshop in der zweiten Oktoberhälfte stattfinden. Eine Doodle-Liste wird demnächst veröffentlicht. Die Werkstatt der bpb wird auch für den nächsten Workshop einige Impulse setzen, gerne nehmen wir hier Wünsche und Vorschläge entgegen. 

 

Eine Anmeldung bzw. “Interessensbekundung” für den zweiten Workshop ist mit einer E-Mail an werkstatt(at)kooperative-berlin.de – auch für alle Neueinsteiger und Neueinsteigerinnen – jederzeit möglich. Alle Interessierten werden dann mit regelmäßigen Mailings in die weitere Planung mit einbezogen.

 

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Foto: Kooperative Berlin, Lizenz: cc-by-sa 3.0