Die Entscheidung ist gefallen: Die Inhalte des kommenden Speedlabs Anfang Oktober stehen fest: werkstatt.bpb.de beschäftigt sich in Leipzig auf seiner vierten Kombination aus Impulsreferaten und kurzen Workshops mit dem Thema “Peer Education”. Wir wollen unter anderem diskutieren, wie die Peerkultur entstand, wer alles Peer ist und wie das Lernen in Peergroups funktioniert. Vorab wollen wir hier diskutieren, welche Fragen und Interessen für das Thema relevant sind: Welche Inhalte oder Kompetenzen können durch Peers besonders gut vermittelt werden? Und wo liegen zum Beispiel auch die Grenzen dieser Art zu Lernen?
Peer Education
Peergroups bilden sich spontan unter gleichaltrigen Kindern oder Jugendlichen. Gleichaltrige sind bei altersspezifischen Themen und Problemen die wichtigsten Gesprächs- und Bezugspartner außerhalb der Familie – insbesondere dann, wenn sie der gleichen sozialen Gruppe angehören. Sie können alterstypische Wertorientierungen, Regeln oder Einstellungen erlernen. Der pädagogische Ansatz der Peer Education gilt daher gemeinhin als sehr effektiv und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Während sich in Großbritannien und in den USA der Ansatz der Peer Education weitgehend durchgesetzt hat, ist er in Deutschland bisher nur wenig verbreitet. Wir wollen uns an das Thema heranwagen und u.a. folgende Fragen stellen: Wer ist alles Peer? Wie funktioniert das Lernen in Peergroups? In welchen Bereichen oder für welche Kompetenzen ist es besonders geeignet und effektiv? Was kann beim Lernen von Peers vermittelt werden, wo es Schulen an Raum und Möglichkeiten fehlt? Oder sollte der Peer-Education-Ansatz stärker Einzug in Schulen erhalten? Braucht es speziell trainierte Peer Leader? Lässt sich Peer Education gezielt steuern und wo liegen hier die Grenzen? In welchen Zusammenhängen wird in Deutschland bereits mit diesem Ansatz gearbeitet?
Werkstatt.bpb.de will es wissen:
Haben Sie schon einmal mit dem Prinzip der Peer Education gearbeitet?
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Welche Teilaspekte interessieren Sie am Thema besonders?
In welchen Bereichen der Bildung kann der Ansatz besonders gewinnbringend eingesetzt werden?
Welche Fragen zum Thema haben Sie?
Alle vorgebrachten Aspekte und Fragen können in Kommentaren zu diesem Artikel eingebracht werden und finden bei der Planung des SpeedLabs zu Peer Education Anfang Oktober in Leipzig Berücksichtigung.
Erste Links zur Anregung:
Institut für Positive Peerkultur, Halle/S.
Interview zu Peer Education mit der Entwicklungspsychologin Maria von Salisch auf bildungsklick.de
teamGlobal über den Ansatz des Peer Learning als wesentlicher Bestandteil des Projekts
Europäisches Peer Learning-Projekt des BMFSFJ zur Jugendpolitik
Foto: Flickr / Tim Rizzo
Das in 2011 gestartete LfM-NRW und Uni Duisburg-Essen Projekt medienscouts beinhaltet den Peer-Ansatz bei der Weitervermittlung medienrelevanter Themen an Jüngere. Hat sich bewährt und wird dieses Jahr über das Grimme-Institut mit weiteren 10 Schulen in NRW fort geführt. siehe http://www.medienscouts-nrw.de
Für mich ist die Begrifflichkeit der Peer Education noch wenig fassbar. Mir ist schon klar, dass Kinder oder Jugendlichen viel voneinander lernen können und dass dies beispielsweise auch im Schulunterricht genutzt werden kann. Dennoch ist mir nicht so ganz klar, wie man das Peer Learning total gezielt einsetzen kann. Zudem ist es doch eher schwer steuerbar und damit auch schwer planbar. Das macht es meines Erachtens etwas schwierig, Peer Learning gezielt in die Unterrichtsvorbereitung einzubeziehen. Zudem ist sehr ungewiss – zumindest für mich – wie mit dem Peer-to-Peer-Ansatz konkrete Lernziele verfolgt werden können. Ich würde mir daher wünschen, dass thematisiert wird, wie sich der Ansatz gezielt und sinnvoll in den Schulunterricht integrieren lässt ohne dabei den zeitlichen Rahmen zu sprengen und die Lernziele aus den Augen zu verlieren.
Wir arbeiten in der außerschulischen und schulischen Jugendarbeit in Wiesbaden seit 1998 in präventiven Projekten nach dem Peer Education Ansatz. Nach der Ausbildung im sexualpädagogischen, suchtpräventiven oder medienpädagogischen Bereich erproben die Jugendlichen Ihr Wissen in Präsentationen für andere Jugendliche. In der direkten Rückmeldung durch die Gleichaltrigen erfahren die Peers Selbstbestätigung und Selbstwirksamkeit. Das führt bei vielen Jugendlichen zu einem Zuwachs an Selbstbewusstsei und nicht selten zu einem verstärktem Engagement.
Peer Education wirkt auf zwei Ebenen, zum Einen bei den ausgebildeten Jugendlichen, zum anderen in der Peer group, da im Jugendalter vor allem in der Peergroup Themen, Probleme, Interessen ausgetauscht werden und die Meinung von Gleichaltrigen vor denen der Erwachsenen rangiert. Durch die sorgfältige Ausbildung der Peers wird der Transport von Wissen sichergestellt und zur Auseinandersetzung mit Themen angeregt, was zu Einstellungsänderungen bei betroffenen Schülern führen kann.
Das verdeutlichen unsere Projekte “Dr. Make Love”, “culture of love”, “Barkeeper”, “Ich zeigs Dir!” und “mirror”.
Das Anne Frank Zentrum arbeitet seit vielen Jahren mit dem Ansatz der Peer Education im Bereich der historisch-politischen Bildung.
Das Anne Frank Zentrum in Berlin ist Partnerorganisation des Anne Frank Hauses in Amsterdam. Das Zentrum rückt deutschlandweit die Erinnerung an Anne Frank und ihr berühmtes Tagebuch in den Blickpunkt. Dabei engagiert sich das Anne Frank Zentrum für Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie und tritt Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung entschieden entgegen.
Im Rahmen der bundesweiten Arbeit mit Wanderausstellungen zu Anne Frank, bekommen in jedem Ausstellungsort bis zu 30 Jugendliche im Alter von 15-19 Jahren die Möglichkeit sich zu Ausstellungsbegleiterinnen und -begleiter (Peer Guides) ausbilden zu lassen. Nach einem zweitägigen Trainingsseminar begleiten die Jugendlichen Schulklassen und Jugendgruppen durch die Ausstellung und erarbeiten gemeinsam vertiefende Themen der Ausstellung.
Die ajs, Aktion Jugendschutz Baden-Württemberg führt seit 2011 ein medienpädagogisches Peer-to-Peer-Projekt durch und bildet Medienscouts aus. Anders als z.B. bei den Kolleg/-innen aus NRW findet dieses Projekt nicht an der Schule, sondern an und in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe statt. Themen des Projekts sind Internet- und Handynutzung sowie die daraus resultierenden Gefährdungspotentiale Cybermobbing, sexuelle Anmache und Umgang mit jugendgefährdenden Inhalten. Das Projekt startet im herbst in die zweite Runde.
Spannend finde ich zu diskutieren, wie in derartigen Projekten der Übergang zwischen Ausbildung der Jugendlichen und anschließender Peer-to-Peer-Phase erfolgreich gestaltet werden kann und welche Faktoren dafür berücksichtigt werden müssen. Parallel stellt sich die Frage nach der strukturellen Ausgestaltung derartiger Projekte, auch hier bezogen auf Erfolgsfaktoren für eine gelingende Peer-to-Peer-Umsetzung.
http://www.ajs-bw.de
Wir möchten an dieser Stellen allen danken, die uns bislang in Kommentaren auf spannende Projekte und Fragen zum Thema Peer Learning aufmerksam gemacht haben. Weitere Hinweise sind jederzeit willkommen!
SchLAu NRW steht für Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Zentrale Idee der SchLAu-Workshops ist die Begegnung der Jugendlichen mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*-Personen. Dadurch können Klischees und Vorurteile wirkungsvoll hinterfragt und abgebaut werden.
Ein Grundsatz von SchLAu sind möglichst altersnahe Aufklärer_innen. Peer im strengen Sinne ist es nicht, weil die Workshops in neunten Klassen nicht von Neuntklässern durchgeführt werden. Unsere Aufklärer_innen sind in der Regel zwischen 18 und 27 Jahren. Trotzdem garantiert die ähnliche Lebens- und Erfahrungswelt der Jugendlichen sowie die der Aufklärer_innen den Erfolg des SchLAu-Konzepts. Anders als Lehrkräfte können wir frei und offen über die Fragen der Jugendlichen sprechen und ihre Vorurteile oder Befürchtungen thematisieren.
Aus unserer Sicht ist Peereducation auch eine Herausforderung, insbesondere in der Werteerziehung und Toleranzarbeit. Aufgrund der Pluralisierung unterschiedlicher Lebensformen und -weisen ist es weder möglich noch wünschenswert allgemeingültige Konzepte vom richtigen und guten Leben zu formulieren. Vielmehr kommt es darauf an die Vielfalt möglicher Lebenskonzepte (im demokratischen Rahmen) sichtbar zu machen, zu akzeptieren und einen Raum für deren Entfaltung zu geben. Hier stellt sich die Frage, inwieweit Peereducation diese Vielfalt im Regelfall tatsächlich repräsentieren kann oder ob nicht insbesondere gesellschaftlich mehrheitsfähige Ideen und Konzepte durch Peergroups transportiert werden.
Bei SchLAu tritt neben das Lernen von Peergroups immer auch der Hinweis (durch die Aufklärer_innen selbst) dass der individuelle Lebensentwurf nur Teil vieler möglicher Lebensentwürfe ist, die alle gleichwertig sind und sein müssen.
Hallo Benjamin, eine interessante Frage, wie Jugendliche lernen sich mit der Pluralität von Lebensentwürfen auseinanderzusetzen. Die Thematik eines Peer Projektes (bei uns: Sexualität,Sucht- und Schuldenprävention, Medienschutz, Migration) sind immer “nur” ein Standbein der Ausbildung.
Peer Education beruht auf Freiwilligkeit und die teilnehmenden Jugendlichen haben ein grundlegendes Interesse sich mit dem Thema zu beschäftigen. Das schließt die Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen und Perspektiven mit ein sowie die Sensibiliserung die eigene Meinung oder Haltung nicht zu generalisieren.
Vielleicht magst du Dir das Projekt “Dr. Make Love” mal anschauen http://www.wiandyou.de – für das wir 2008 den Aidspräventionspreis – für besonders sorgfältige Ausbildung bekommen- haben.
Grüße Conny
Liebe Redaktion! Steht denn schon fest, wann im Oktober das besagte Speedlab ist? Wir hätten großes Interesse teilzunehmen! Gerne geben wir auch einen Einblick in unsere Arbeit und Erfahrungen.
Interessant ist vor allem zu disktutieren, welche Voraussetzungen erfüllt sein sollten um Peer Education zu ermöglichen, z.B. in Bezug auf die Rolle der Pädagogen, Lehrkräfte oder andere Erwachsene.
Freue mich über weitere Informationen.
Larissa Weber – Anne Frank Zentrum (www.annefrank.de)
Das An-Institut MISTEL der Hochschule-Magdeburg Stendal setzt seit dem Jahr 2000 ein PEER-Projekt an Fahrschulen um. Das Schnittstellenprojekt zwischen Gesundheitsförderung, Suchtprävention und Verkehrssicherheitsarbeit setzt an der Schwelle zur motorisierten Verkehrsteilnahme an.
Im Rahmen des Projektes werden junge Menschen, deren Führerscheinerwerb selbst noch nicht lange zurückliegt, von Experten ausgebildet, die dann in Fahrschulen in einer zusätzlichen theoretischen Unterrichtsstunde mit den Fahranfänger/innen über die Risiken und Folgen von Alkohol- und Drogenkonsum im Straßenverkehr sprechen und erarbeiten zusammen mit diesen Strategien zur Vermeidung des Trink-Fahr-Konfliktes.
Mittlerweile wird das Projekt in zehn Bundesländern umgesetzt und konnte von 2006 bis 2008 durch eine Förderung der Europäischen Kommission als Modellprojekt PEER-Drive Clean! in neun weiteren europäischen Ländern umgesetzt werden.
Die Wirksamkeit dieses Ansatzes wurde durch eine Kontrollgruppenstudie in Sachsen-Anhalt belegt. In den jährlich durchgeführten Projektevaluationen gibt eine absolute Mehrheit (über 85%) der teilnehmenden Fahrschüler/innen an, dass sie sich durch diese Interventionsmaßnahme besser darüber informiert fühlen, wie Rauschfahrten vermieden werden können. Die Erfahrungen mit der Projektumsetzung werden auch in verschiedenen Publikationen dargestellt, unter anderem in Fredersdorf/Heckmann: Der T-Faktor, Mäßigungskonzepte in der Sozialen Arbeit, Wiesbaden, 2010.
Das kommende SpeedLab ist am 5.Oktober in Leipzig (Tapetenwerk), eine erste Agenda kommt in Bälde.
Grüße
Oliver Baumann