Experten und Expertinnen reden oft und gerne über Facebook – vor allem darüber, welche Auswirkungen das soziale Netzwerk auf das Leben Jugendlicher hat, wie sie es nutzen oder nutzen sollten und was Eltern tun können, um ihren Kindern mit ihrem sozialen Leben im Internet zu helfen. Aber wie sehen Jugendliche eigentlich Facebook und was denken sie, welche Auswirkungen es auf ihr soziales Miteinander hat? Tom Dahlke, geb. 1997 in Berlin, Schüler der Bertha-von-Suttner-Oberschule und Schülerpraktikant der Kooperative Berlin, gewährt uns einen Einblick.
In Deutschland sind derweil ca. 23,7 Millionen Menschen bei Facebook angemeldet. Davon sind 3,7 Mio. zwischen 13 und 17 Jahren alt. Das sind 15 Prozent. Wir sind 15 Prozent. Was bedeutet Facebook für uns und welche Auswirkungen hat es auf unser Leben? “Experten” und “Expertinnen” diskutieren häufig darüber und schreiben Berichte. Der Jugendliche wird dabei als “Forschungsobjekt” ergründet, kommt aber selbst selten zu Wort. Wie wichtig ist für uns – die Jugendlichen oder in diesem Fall mich – das Paradebeispiel für soziale Netzwerke im Internet?
Die Beantwortung dieser Frage beginnt mit der Nutzungszeit von Facebook. Und schon hier muss man anfangen zu differenzieren und darauf zu achten wie genau die Frage gestellt wurde. Denn auf die Frage wie viele Stunden ich am Tag bei Facebook erreichbar bin, müsste ich wohl antworten: “Zum Teil mehr als sechs Stunden”. Die Zeit, welche ich tatsächlich “aktiv” auf Facebook verbringe, beträgt wohl nur an die zwei Stunden. Und auf diese zwei Stunden könnte ich verzichten, aber das tue ich nicht. Mit Facebook ist es wie mit dem Fernsehen: Auch das ist häufig nicht notwendig, die meisten verzichten dennoch nicht darauf. Ich nutzte Facebook täglich, um mich mit diversen Leuten auszutauschen, diese eventuell näher kennenzulernen und mich zu verabreden.
Es gibt Jugendliche, die Facebook auf ein ganz anderes Niveau heben. Sie nutzen die Fotofunktion, die ihnen geboten wird, um sich selbst darzustellen. Hierbei geht es nicht um die vorbildliche Präsentation gegenüber potentiellen Arbeitgebern, sondern darum, sich vor Gleichaltrigen zu präsentieren und von diesen Bestätigung zu erhalten. Bilder, die nicht genug Zustimmung erhalten, werden wieder entfernt, soweit das möglich ist. Dies fällt mir vor allem bei Mädchen auf und ist bei Jungs eigentlich kein Thema.
Warum ausgerechnet Facebook so viele Nutzer hat, ist schwer zu beantworten. Der Eindruck, den ein Jugendlicher haben mag, ist aber wohl der, dass “alle” bei Facebook sind. Und das stimmt so auch fast. Der kleine Kreis von Leuten, der sich dieses sozialen Netzwerkes entzieht, existiert für die meisten nicht. Dass die Nutzung von Facebook oder vergleichbaren sozialen Netzwerken zwangsläufig erforderlich ist, um eine Rolle im sozialen Leben spielen zu können, kann man so pauschal nicht behaupten, aber es gibt die Tendenz, dass jene, welche sich den sozialen Netzwerken entziehen, eher außenstehende Rollen im sozialen jugendlichen Leben einnehmen.
Dieses soziale Leben im Netz ist in keiner Weise auf die Menschen beschränkt, die sich im direkten sozialen Umfeld bewegen. Es ist üblich auch Freundschaftsanfragen von Leuten anzunehmen, die man nicht kennt, solange man 64 gemeinsame “Freunde” hat. Teilweise gibt auch die einfache Anfrage genug Anlass einer “Freundschaft” zuzustimmen. Man vernetzt sich mit Leuten, die man mal kurz im Urlaub kennen gelernt hat, die man gut kennt oder in manchen Fällen auch überhaupt nicht. Natürlich variiert die Handhabung des “Freundeskreises” von Jugendlichem zu Jugendlichem, aber die meisten sehen die als “Freunde” an, welche ihnen Freundschaftsanfragen senden. Manche sammeln “Freunde”. Dann stößt man auf Profile von Leuten, die mit über tausend anderen “befreundet” und stolz darauf sind. Sie sehen die Anzahl ihrer Facebook-“Freunde” als Spiegelbild ihrer sozialen Anerkennung und Teilhabe.
Wie wichtig etwas für den Einzelnen nun wirklich ist, erfährt dieser erst dann genau, wenn er es aufgeben muss oder musste. Ich glaube nicht, dass Facebook für die jugendliche Generation lebensnotwendig ist, aber ich glaube, dass ein Leben ohne die Kommunikation im Internet für die heutige Jugend nicht mehr vorstellbar ist. Facebook ist nicht notwendig, aber ein Platz wie Facebook ist notwendig für uns. Welchen Namen er trägt, ist dabei egal.
Foto: flickr/Sean MacEntee
Vielen Dank für deinen guten und nur zu wahren Artikel. Vor allem dem letzten Abschnitt stimme ich mehr als nur zu. Es geht nicht um Facebook. Facebook ist “nur” eine Plattform. Es geht um Kommunikation. Wo diese stattfindet und welchen Nahmen sie trägt, ist in der Tat nebensächlich.
Für mich ist Facebook gar ein Kühlschrank. Und vielleicht hole ich in ein paar Jahren mein Futter aus einem anderen Kühlschrank…
http://www.isistown.de/2012/05/10/facebook/
Ich wünsche Dir noch viel Erfolg und schöne Jahre auf Facebook.
Isistown
Hallo Tom,
super Artikel! Interessant, mal direkt die Jugendlichen-Einschätzung zu lesen und gut geschrieben. Aber: wirklich 2 Stunden jeden Tag aktiv auf Facebook? Das ist doch ziemlich viel, finde ich! Mir als “Altem” sind schon 20-30 Minuten viel, und dennoch wird’s dann sogar zugegebenermaßen auch mal ne ganze Stunde, wenn ich interessanten Posts und Links folge und miit mehreren Leuten kommuniziere. Das sind bei mir übrigens vor allem echte aktuelle Freunde, wie z. B. ganz alte Schulfreunde.
Sehr spannend wäre, Du würdest das mit der Art der Selbstdarstellung überhaupt und speziell von Jungen und Mädchen im Vergleich nochmal vertiefend darstellen! Da hätte ich echt Lust drauf, das zu lesen.
Und vielleicht sollte jemand einen Artikel schreiben über die – sehr unterschiedliche – Facebook-Nutzung von 50-Jährigen…
Herzliche Grüße
Ralph
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