Das interaktive Whiteboard erhält zunehmend Einzug in unsere Schulen und Klassenräume. Trotz der entsprechenden Weiterbildungen tun sich viele Lehrkräfte noch immer schwer, ihren Unterricht unter Einbeziehung des neuen Mediums zu planen und durchzuführen. Richard Leinstein erläutert im zweiten Teil seiner Reihe die Gründe für die Scheu vor dem Medium und wie es gelingen kann, möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer für den Gebrauch der interaktiven Tafel zu motivieren. 

 

Während Schülerinnen und Schüler überwiegend eigenständig die Initiative ergreifen, sich mit dem neu im Klassenzimmer befindlichen Medium auseinanderzusetzen und seine Möglichkeiten auszutesten, verläuft ein Graben der digitalen Spaltung durch unser Lehrerkollegium, welcher sich weder am Alter noch an der Fächerkombination festmachen lässt. So haben sich durchaus Kolleginnen und Kollegen, die bereits älter als 50 Jahre sind, intensiv mit den Möglichkeiten unseres Whiteboards auseinandergesetzt und nutzen dieses begeistert und äußerst kompetent, während Kolleginnen und Kollegen, die deutlich jünger als 50 Jahre sind, das Board lediglich im ausgeschalteten Zustand als Projektionsfläche für den Overhead-Projektor nutzen. Das Ziel einer erfolgreichen Etablierung dieses Mediums im Klassenzimmer muss es daher sein, die spezifischen und durchaus persönlichen Hürden individueller Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit dem Produkt zu erkennen und ihnen aktiv beim Überwinden derselben zu helfen.

 

Zahlreiche Lehrkräfte vermeiden unkalkulierbare Situationen

Bereits im Referendariat lernen die angehenden Lehrerkräfte, dass sie die eingesetzten Medien beherrschen müssen und dass sie den Schülerinnen und Schülern hierin auch ein Vorbild sein müssen. Eine eingeschränkte Medienkompetenz der Lehrperson verursacht, so die gängige Lehrmeinung, Unruhe im Klassenverband, welche es tunlichst zu vermeiden gilt. Im Umkehrschluss führt dies jedoch dazu, dass zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer eben nur die Medien einsetzen, die sie bereits beherrschen. Um die ablehnende Haltung gegenüber der interaktiven Tafel ablegen zu können, ist es notwendig, diesen Kolleginnen und Kollegen eine individualisierte Schulung anzubieten, damit es ihnen ermöglicht wird, an Sicherheit im Umgang mit der Tafel zu gewinnen, ohne zeitgleich vor Schülerinnen und Schülern oder anderen Lehrerenden stehen zu müssen. Dabei muss durchaus auch der technische Hintergrund des Mediums erklärt werden. 

 

– Welche Kabelverbindungen gibt es zwischen Computer und Tafel?

– Wie funktioniert die Tafel technisch?

– Wann kann unerwünschtes Verhalten der Tafelsoftware auftreten und wie kann es vermieden werden?

– Über welche Kontrollanzeigen verfügt die Tafel und was bedeuten sie?

 

Nur wenn die Kolleginnen und Kollegen das Gefühl haben, zu verstehen, wie das Medium funktioniert und wie sie häufig auftretende Schwierigkeiten wie lockere USB- oder HDMI-Kabel selbst diagnostizieren und beheben können, gewinnen sie an Sicherheit und trauen sich den Einsatz der Tafel auch “live” vor Schülerpublikum zu. So biete ich an meiner Schule zusätzlich zu der sehr guten Einführungsveranstaltung der Firma VS-Möbel, die unser Board installiert hat, immer wieder Fortbildungstermine für Kleingruppen oder individuelle Kolleginnen und Kollegen an, um durch die erhöhte Sicherheit im Umgang mit der Tafel auch ihre Akzeptanz zu erhöhen. Unterstützt wird diese Bemühung durch den Versuch, die häufigsten Fehler und die entsprechenden Anzeigen der Statusleuchte am Board auf einer übersichtlich beidseitig bedruckten, laminierten DIN-A4 – Seite, die sich stets in der Laptopschublade des Lehrertisches befindet, aufzulisten und somit unkompliziert behebbar zu machen. Dies schafft zusätzliche Sicherheit.

 

Problematisch ist jedoch der erforderliche Zeitaufwand der Systembetreuung. In Bayern legt das kultusministerielle Schreiben vom 17. März 2000 Nr. III/4 – II/2 –O1350 – 1/13 456 fest, dass Anrechnungsstunden “bei mehr als zehn vorhandenen Computern in der Schule mit einer, bei mehr als 25 vorhandenen Computern in der Schule mit zwei Stunden auf die Unterrichtspflichtzeit angerechnet werden. Bei einer höheren EDV-Ausstattung an der Schule können weitere Anrechnungsstunden gewährt werden, wenn entsprechende Kontingente vorhanden sind.” Gemäß dieser Vorgabe werden mir auch bei über 100 Computern in der Schule, welche ich zusätzlich zu dem schulungs-
intensiven interaktiven Whiteboard betreue, nur zwei Anrechnungsstunden von meiner derzeit 24 Stunden umfassenden Unterrichtspflichtzeit abgezogen. Hier wäre durch eine entsprechend an aktuelle Schulrealität angepasste Neuverordnung ein wesentlich höheres Anrechnungsdeputat zu veranschlagen, um regelmäßige Schulungen für interaktive Tafeln, Anwendungsprogramme, sicheren Umgang mit dem Internet sowie eine stets aktuelle medienpädagogische Fortbildung des Kollegiums leisten zu können. 

 

Das neue Medium fordert eine andere Unterrichtsplanung

Während die interaktive Tafel durchaus als schlichter Schreibtafelersatz verwendet werden kann, bedarf es, um effizient zu arbeiten, einer anderen Unterrichtsplanung, um den Chancen und Grenzen des Whiteboards gerecht zu werden. So können zwar traditionelle Techniken, wie etwa Overheadfolien, die mit einem Text bedruckt sind, wovon wiederum einzelne Wörter als Lückentext abgeklebt wurden, durchaus in eine digitalisierte Unterrichtssequenz überführt werden, dies bedeutet jedoch zusätzlichen, teilweise auch erheblichen, Arbeitsaufwand der Lehrkräfte. Auch dieser Umstand kann einen Ablehnungsgrund für Kolleginnen und Kollegen darstellen, da gerade in den Sprachfächern die Arbeitsbelastung durch einen stetig ansteigenden Korrekturaufwand so groß ist, dass sich die Zeit, bereits vorhandenes Material zu überarbeiten und zu digitalisieren, in den Augen dieser Lehrer oft nicht lohnt. Der Einsatz von Dokumentenkameras, die letztlich wie klassische Overheadprojektoren funktionieren, das Bild aber direkt über den Beamer und in die Software des interaktiven Whiteboards eingebunden ausgeben können, stellen hier eine gute Zwischenlösung dar, da sie die analoge Welt nahtlos in die digitale einbinden. Weil diese Geräte jedoch im Moment noch sehr teuer sind, verfügt unsere Schule über noch kein entsprechendes Modell.

 

Die veränderte, digitalisierte Unterrichtsgestaltung hat jedoch dann positive Effekte für die Motivation einzelner Lehrkräfte, wenn das tradierte Rollenmodell vom Lehrer als Einzelkämpfer überwunden wird. So kann Unterrichtsmaterial in Jahrgangsstufen- und Fachschaftsteams erarbeitet werden und allen Lehrerinnen und Lehrern einer Schule über das zentrale Intranet zu Verfügung gestellt werden. Durch die leichte Veränderbarkeit der digital erstellten Inhalte wird es letztlich auch jedem Lehrenden ermöglicht, diese jeweils ohne großen Aufwand an die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen anzupassen. Letztlich kann auf diesem Weg nicht nur eine Arbeitserleichterung für individuelle Lehrer, sondern auch eine weitgehende Standardisierung unterrichtlicher Kerninhalte stattfinden.

 

Gute Software schafft Begeisterung

Die Akzeptanz der interaktiven Tafel – und damit auch ihre Verwendungshäufigkeit – ist direkt von der Qualität der mitgelieferten Treiber- und Anwendungssoftware abhängig, aber auch von der restlichen auf dem Steuercomputer installierten Software. Nur wenn Office-Anwendungen, Mediaplayer und Internetbrowser einfach aufzufinden und übersichtlich zu nutzen, Dateiverknüpfungen sauber gesetzt und aktuelle Audio- und Videocodecs installiert sind, wird der Umgang mit der interaktiven Tafel als unkompliziert empfunden. Der direkte Umgang mit der Tafel kann von Kolleginnen und Kollegen im häuslichen Umfeld nicht geübt werden – im Falle von SMART kann aber die Unterrichtssoftware SMART Notebook, welche das wichtigste Programm im täglichen Umgang mit dem Board darstellt, von jedem Lehrer, jeder Lehrerin einer Schule, die mit einem entsprechenden Board ausgestattet ist, auf dem Privatrechner installiert und mit einer schuleigenen Seriennummer lizenziert werden. Dieses Produkt ist im Wesentlichen nicht nur selbsterklärend, auch ist sie mit einer exzellenten Hilfefunktion ausgestattet, sodass Lehrkräfte mit dem Programm einfach eigene interaktive Unterrichtssequenzen erstellen können. Als sehr hilfreich erweisen sich hier Nachschlagewerke wie “Mein SMART Board” von Christian Kohls, das anschaulich bebildert nicht nur die technischen Details der Software erläutert, sondern auch praktische Tipps gibt, wie sie effektiv im Unterricht einzusetzen ist.

 

Repetitio est mater studiorum

Da die interaktive Tafel bei uns in einem Englisch-Fachraum hängt, ist zunächst zwar nur eine kleine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen mit dem Medium konfrontiert, diese aber regelmäßig. Es hat sich bereits ein harter Kern von Lehrenden gebildet, der das Board begeistert nutzt und auch anfängliche Skeptiker gewinnen mehr Sicherheit und setzen das Medium schon mindestens sporadisch ein. Allerdings bekommen wir auch immer mehr Anfragen aus anderen Fachschaften, ob es möglich wäre, für einzelne Stunden den Raum tauschen zu können, um auch mit dem neuen Medium arbeiten zu können. Ich denke folglich, der Ansatz, ein möglichst intuitiv zu bedienendes Gerät zu erstehen, Kolleginnen und Kollegen individuell und häufig zu schulen und letztlich – das ist wohl das Wichtigste – als Systembetreuer die Schwierigkeiten der Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit dem Board ernstzunehmen, hat sich bis jetzt ausgezahlt. In den nächsten Monaten werden wir nun evaluieren, inwiefern sich der didaktische Nutzen des interaktiven Whiteboards im Vergleich mit den traditionellen Medien im Klassenzimmer bewährt.

 

Foto: flickr/ Jose C Silva