4000 Besucher, 200 Stunden Programm, 20.000 Quadratmeter, acht Bühnen, 350 Redner und Rednerinnen aus über 30 Ländern – die re:publica 2012. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die größte deutsche Netzkonferenz ist gewachsen. Von 2. bis 4. Mai standen Experten vor zahlreichen Kameras der großen Sender, Fotografen hielten mit teuren Apparaturen Momentaufnahmen der re:publica fest und eine Unzahl von Berichten zur einstigen Nerdveranstaltung tingeln noch immer durchs Netz, die Printmedien und das Fernsehen. 

 

Neben einer Vielfalt an Teilnehmenden und Vortragenden, zeigt sich diese auch thematisch: Neben Social Media, Blogs und Urheberrecht stehen Themen wie Crowdfunding, „Do-It-Yourself“-Ansätze und offene Daten im Fokus. Einer der 14 thematischen Tracks handelt das Thema digitale Bildung aus verschiedenen Blickwinkeln ab. „re:learn“ heißt der Track und betrachtet Bildungsthemen im digitalen Zeitalter näher: Wie lernen wir heute? Wie wird Wissen ausgetauscht? Welche neuen Konzepte können durch digitale Medien verfolgt werden? Wie verändert die Digitalisierung die Arbeit von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen? 17 Sessions setzen sich mit diesen und ähnlichen Fragen auseinander. Es geht um offen zugängliche Bildung im Netz, um die partizipativen Strukturen, die durch das Internet ermöglicht werden, um die Nutzung von Facebook im Unterricht und um bloggende Lehrerinnen. „Open“, „Do it yourself“, „Network“ und „global“ sind die zentralen Stichwörter der Vorträge.

 

Auch auf der re:publica spiegeln sich im Zusammenhang mit Bildungsthemen Wahrnehmungen und Erkenntnisse wider, die bereits auf anderen Veranstaltungen wie dem educamp vorgetragen und diskutiert wurden: Das Netz hält zahlreiche Möglichkeiten bereit, um den Unterricht zu bereichern. Es kommt nicht darauf an, dass digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden, sondern darauf, wie sie eingesetzt werden. Und: Schulen erweisen eine hohe Trägheit, was den Einsatz digitaler Medien angeht. Soweit ein Einblick in die gängigen Thesen. Viel interessanter ist aber, wie sich dieses Trägheitsmoment überwinden lässt, wie die so hohen Potentiale digitaler Medien genutzt werden können und wie ihr gelungener Einsatz im Unterricht aussehen kann. Die Problematiken sind entlarvt, werden diskutiert, doch Lösungsansätze sind meist rar gesät, so teilweise auch auf der re:publica.

 

Doch die ersten, wohl notwendigen Zwischenschritte wurden auf der re:publica angesprochen. Auf Erkenntnisse folgt die Suche nach Ursachen. Jöran Muuß-Merholz bietet in seiner Session „Die Technologie von James Bond und Captain Kirk in den Händen von Schülern – Totaler Kontrollverlust für die Schule?“ einen Ansatzpunkt an: Kontrolle oder die Illusion von Kontrolle habe an Schulen einen sehr hohen Stellenwert. Durch WLAN und mobile Endgeräte drohe an Schulen der totale Kontrollverlust. Bei der Arbeit mit digitalen Medien ist nicht mehr nachvollziehbar, wann sich die Lernenden mit dem Unterrichtsstoff bzw. der gestellten Aufgabe auseinandersetzen und wann sie privaten Interessen nachgehen. Unter anderem aus Angst vor diesem Kontrollverlust stehe das digitale Zeitalter vor verschlossenen Schultoren. 

Eine andere Erklärung bezieht sich auf die soziokulturelle Wahrnehmung des Netzes. So sind sich die Diskutanten der Session „Do it yourself! Netzwerke für DIY-Education“ weitgehend einig: In Deutschland sind alle sehr darauf bedacht, welche Spuren sie im Internet hinterlassen und welches Bild sie dort abgeben. In Großbritannien beispielsweise seien die Leute diesbezüglich wesentlich gelassener.

 

Auch das Studium von Konzepten zu digitalen Medien, die eventuell in den Schulkontext integriert werden können, ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem gesunden Grad der Digitalisierung an Schulen. Hier bietet die re:publica mit der Vorstellung zahlreicher Projekte, die beim Thema digitale Bildung ansetzen, Vorschläge an. So stellt Anja C. Wagner beispielsweise die Ununi vor. Sie verbindet das „Do-it-yourself“-Konzept mit dem des „peer-learning“. Die Ununi ist eine Unkonferenz, an einem Unort, zu einer Unzeit. Übersetzt bedeutet das, die Ununi basiert auf Interaktivität und nicht auf einseitiger Wissensvermittlung (Unkonferenz), sie befindet sich im Netz (Unort) und hat keine zeitlichen Schranken, findet also immer statt (Unzeit). Weltweit können Wissbegierige teilnehmen und Sessions anbieten. Der Traum von Anja C. Wagner: Menschen aus den verschiedensten Teilen der Erde tauschen sich zu einem Thema aus, dass sie gerade beschäftigt.

 

Bleibt nur noch die Frage der Verwirklichung der virtuellen Ideen im realen Schulalltag offen. Sie tront mächtig über all diesen Diskussionen ohne beantwortet werden zu können. Dennoch: Veranstaltungen wie die re:publica, ihren Track re:learn, die innerhalb dessen stattfindenden Dikussionen und die dort vorgestellten Projekte schaffen Potentiale zur Beantwortung.

 

 

 

Zum Abschluss der re:publica haben netzdebatte.bpb.de und diskurs.dradio.de gemeinsam ein netzpolitisches Fazit gezogen. Die Gastgeber Markus Heidmeier und Thorsten Schilling, Bundeszentrale für politische Bildung, führen auf dem Speedpodium ein ca. 45-minütiges Zwiegespräch mit wechselnden Gästen. Etwa alle 10 Minuten stößt ein neuer Gast hinzu. Im Gespräch sind Markus Beckedahl, netzpolitischer Aktivist aus Berlin und Betreiber des Blogs netzpolitik.orgMarcel Weiss, der auf neunetz.com über innovative Geschäftsmodelle im Internet schreibt, Euroblogger Ronny PatzTim Pritlove, Deutschlands bekanntester Podcaster und Jeanette Hofmann, Gründungsdirektorin des Alexander von Humboldt Instituts Internet und digitale Gesellschaft.