Welche methodischen Vermittlungselemente sprechen die Schülerinnen und Schüler am meisten an? Ist es ein Foto oder ein Zeitzeugenbericht? Damit ein Thema ansprechend vermittelt werden kann, sei eine Kombination mehrerer Methoden ideal, so der Referent für historisch-politische Bildung, Alexander Lahl. Auf dem Workshop am 07. Dezember 2011 in der Waldorfschule Potsdam hat er als Referent für werkstatt.bpb mit den Schülerinnen und Schüler das Thema “Die Verfolgung der Juden während des Nationalsozialismus” bearbeitet. Im Anschluss an den Workshop hat werkstatt.bpb mit ihm ein schriftliches Interview geführt.
Redaktion: Was war dein Eindruck von dem WS, wie beurteilst du den Wissensstand der Schülerinnen und Schüler?
Alexander: Der Workshop verlief insgesamt sehr gut, wozu in erster Linie die interessierte und aufgeweckte Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler zur Mitarbeit beitrug. Die meisten von ihnen waren in den vergangenen Unterrichtsstunden auf den Workshop vorbereitet worden und hatten dadurch wesentliche Grundkenntnisse der Thematik. Darüber hinaus war die Schule gut auf den Workshop vorbereitet und machte einen engagierten Eindruck.
Redaktion: Welche Vermittlungsformen wurden angewandt, welche digitalen Bildungsprodukte eingesetzt?
Alexander: Ich habe unterschiedliche Vermittlungsformate während des Workshops eingesetzt.
– spielerische Wissensabfrage und –vermittlung (DalliClick)
– Bildinterpretation (deinegeschichte.de)
– Hörverstehen und –anaylse (Regime unterm Hakenkreuz)
– Textanalyse (deinegeschichte.de)
– Webrecherche (chotzen.de + Regime unter dem Hakenkreuz)
– Vorbereitung und Durchführung eines Zeitzeugengespräches
– Einführung in Medienerstellung, in Kamera- und Interviewtechnik sowie Aufnahmetrainings mit fiktiven Zeitzeugen
Redaktion: Welche inhaltlichen Aspekte wolltest du mit den jeweiligen Bildungsprodukten bzw. Methoden aufgreifen und vermitteln?
Alexander: Inhaltlicher Vermittlungsanspruch war bei allen Methoden die einführende und vertiefende Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte: der Verfolgung der Juden während des Nationalsozialismus. Zur inhaltlichen Fokussierung haben wir als Schwerpunkt die Ereignisse und Hintergründe des 9. November 1938 erörtert.
Redaktion: Wie bewertest du die Materialien und die Resonanz darauf? Was war dein Eindruck, wie sie bei den Schülerinnen und Schüler angekommen sind? Waren die Materialien für das Niveau der Klasse angemessen?
Alexander: Die Materialien waren dem Niveau der Schülerinnen und Schüler (12. Klasse) angemessen und wurden von diesen insgesamt als geeignete Formate der Vermittlung des Themas bewertet. Dabei konnte keine Vorliebe für eines der Medienformate festgestellt werden. Alle Formate scheinen dementsprechend gleichermaßen für die thematische Auseinandersetzung geeignet zu sein. Es kommt auf die Kombination ihres Einsatzes an.
Redaktion: Wie empfanden die Schülerinnen und Schüler die Zeitzeugin Inge Deutschkron?
Alexander: Am nachhaltigsten waren die Schülerinnen und Schüler von dem anderthalbstündigen Gespräch mit der Zeitzeugin Inge Deutschkron beeindruckt. Leibhaftige Geschichte – eindringlich und unterhaltsam erzählt von einer Überlebenden – das scheint nach wie vor jedem multimedialem Vermittlungsformat überlegen zu sein. Inge Deutschkron war auf Grund ihrer charaktervollen Erscheinung vermutlich besonders in der Lage, junge Menschen zu erreichen und für die Geschichte der Juden im Nationalsozialismus zu interessieren.
Redaktion: Wo liegen Verbesserungspotentiale, was hätte man noch anders machen können?
Alexander: Der Workshop verlief meines Erachtens unter den gegebenen Bedingungen optimal. Eine vertiefende Auseinandersetzung beispielsweise mit einer Webseite (z.B. chotzen.de) könnte vielleicht sinnvoll sein. Das würde dann aber entweder mehr Zeit erfordern oder man müsste Abstriche bei anderen Aspekten/Formaten machen. Ich halte jedoch die Kombination verschiedener Formate für zielführender.
Wenn ein Ziel für die jeweilige Schule neben der Wissensvermittlung sein soll, selbst Medienbeiträge zum Thema zu erstellen, sollte das Augenmerk vielleicht noch stärker auf eine diesbezügliche Hilfestellung gerichtet sein. Das braucht aber entsprechend Zeit.
Foto: flickr / gemeinde.niederhelfenschwil
Besten Dank für die Informationen, sind wirklich hilfreich für die weitere Bearbeitung des Themas. Ich würde auch gerne Zeitzeugen einsetzen, zum Thema Nationalsozialismus wird das ja immer schwieriger. Gibt es hier noch Vermittlungen, Hinweise?
Meine Befürchtung ist auch, dass die Schüler oft vielleicht zuviel Respekt haben.
Hallo Gunnar,
im Falle von Inge Deutschkron haben wir direkt über die Inge Deutschkron Stiftung angefragt. Weitere Anlaufstellen für die Arbeit mit Zeitzeugen zum Thema Nationalsozialismus sind die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ), die Zeitzeugenbörse, Lernen aus der Geschichte, die Topographie des Terrors oder auch Miphgasch/Begegnung e.V., ein Verein zur Förderung interkultureller und internationaler Begegnungen junger Menschen und Familien. (Links siehe unten)
Was den Umgang mit den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen von Seiten der Schülerinnen und Schüler anbelangt, haben wir mit Inge Deutschkron sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie war so offen und positiv, dass sie schnell alle Scheu bei den Jugendlichen vertrieben hat. Eine methodische und inhaltliche Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf das Gespräch ist bestimmt immer hilfreich. Wir können den Einsatz von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auf jeden Fall nur empfehlen. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen?
Kaja
http://www.inge-deutschkron-stiftung.de/
http://www.stiftung-evz.de/
http://www.zeitzeugenboerse.de/
http://lernen-aus-der-geschichte.de/
http://www.miphgasch.de/
Hallo Kaja,
einen großen Dank für antwort. Das hat mir weitergeholfen, ich werde also nun spätestens im kommenden Schuljahr mal das Thema Zeitzeugen im Unterricht angehen.
Grüße
G.