André Spang ist Leiter eines iPad-Projekts an der Kaiserin-Augusta-Schule in Köln. Durch die Initiative von Apple erhofft er sich wesentliche Neuerungen für den Bereich der digitalen und interaktiven Produktion von Lehr- und Lernmateralien. Zudem könne seiner Meinung nach das statische Verhältnis von Lehrenden und Lernenden aufgebrochen werden, wenn beide Gruppen zukünftig gemeinsam Lernmaterialen entwickeln und erstellen. 
 
Redaktion: Welche Erwartungen verbinden sie mit der Neuerung von Apple?
 
André Spang: Von der Neuerung? Sie zielen mit der Frage auf das Vorpreschen Apples in den Schulbuchmarkt ab? Ich erwarte mir, dass Bewegung in die Erstellung von digitalem, interaktivem Content im Schulbuchbereich kommt. Hoffentlich aber nicht so eindimensional, wie Apple dies vorgemacht hat, also nicht ein interaktives Buch, bei dem dann am Ende des Kapitels vom Lernenden Fragen beantwortet werden müssen. Aber auch dies ist schon mal ein Anfang, denn das “Buch” bietet auch in dieser Form schon Möglichkeiten, die ein traditionelles Schulbuch nicht hat. Ich wünsche mir aber ein Buch, dass die Aktion der Lernenden in Form von Partizipation und individuellem Input noch viel stärker einfordert. Und ein eBook, das auch das Netz und dessen Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten noch stärker in den Vordergrund stellt. Aber dies wird kommen, der Anfang ist gemacht und der ist schon vielversprechend. Er ist nicht neu, Apple hat nichts Neues erfunden, aber die Art wie es funktioniert und wie man damit arbeiten kann, ist sehr überzeugend und andere Anbieter haben dies leider noch nicht geschafft. Ausserdem bietet diese Anwendung, “iBooks Author”, um sie beim Namen zu nennen, die Möglichkeit, zusammen mit den Lernenden Unterrichtsmaterialien zu erstellen und diese wiederum anderen Lehrenden und Lernenden zur Verfügung zu stellen, auch plattformübergreifend z.B als PDF.
 
Redaktion: Werden Sie demnächst selbst Lehrbücher herstellen?
 
André Spang: Ich habe schon eins fertig, wenn auch ein kurzes ;). Gleich am Freitag war es fertig und ich habe es bereits, wie bei twitter (@tastenspieler ) kommuniziert am Samstag am Tag der offenen Tür unserer Schule interessierten Eltern und Schülern, die sich unsere Schule, das Kaiserin Augusta Gymnasium, in Köln angesehen haben, vorgestellt. Ich habe dazu auch schon einen Blog eingerichtet, denn ich möchte in Zukunft versuchen, mit Kolleginnen und Kollegen und auch den Lernenden unserer Schule Lernmaterialien für unsere iPads zu erstellen und zwar innerhalb des Unterrichts. Wir werden sehen, wie das klappt. Da unsere Schüler schon seit über zwei Jahren mit den iPads die Ergebnisse der Unterrichtsarbeit und des Lernens auf unserem offenen Schulwiki abbilden, liegt der Schritt nahe, dies in ein eBook zu giessen. Das eBook, welches ich jetzt als Entwurf erstellt habe, besteht auch ausschliesslich aus Contents, den die Lernenden meiner Musikkurse auf dem Wiki erstellt haben. Dort haben sie auch schon Bilder, Ton- und Videomaterial gesammelt. Ich musste dies alles nur noch im Buch zusammen fassen.
  
Redaktion: Welche Formen der Kooperation könnte es da zwischen Lehrerinnen und Lehrer und Schülern geben?
 
André Spang: Es kann ein völlig neues Verhältnis Schule – Lehrende – Lernende entstehen, wenn man die Lernmaterialien selbst produzieren kann. Alle können etwas dazu beitragen und ihre Stärken einbringen. Das gefällt mir sehr gut. Die Arbeit wird teamgestützt, projektorientiert und selbstbestimmt und man arbeitet nicht irgendwelche Lernziele ab, sondern man arbeitet den Lernstoff ab, indem man dafür Lernmaterialien zusammen entwickelt und am Ende ein fertiges Produkt hat, das andere wiederum weiter entwickeln können.
 
Redaktion: Wie kritisch sehen sie die Tatsache, dass ein Konzern die Innovationsbereiche der Bildung privatisiert?
 
André Spang: Ich sehe hier zunächst eine Chance, obwohl Apple mit Sicherheit auch andere Interessen hat und diese elegant verpackt. Hier kann ein breites Angebot an Unterrichtsmaterialien entstehen, die kostenlos zur Verfügung stehen und einfach einzusetzen sind. Und die Chance besteht auch darin, dass dieses Konzept nun Nachahmer finden wird, genau wie man es beim Appstore von Apple und beim darauf folgenden Appstore von Android gesehen hat. Ich denke, die “großen” Anbieter werden hier etwas entsprechendes entwickeln und dann wird nicht mehr ein Anbieter alleine da stehen, was ja auf Dauer nicht gut sein kann. Ich bin in dieser Hinsicht aber zunächst ganz entspannt, denn in diesen Entwicklungen und im Internet steckt sehr viel Innovationskraft und Möglichkeiten und vor allem geht es sehr rasch, wenn man mal bedenkt, wie lange es das iPad erst gibt und nun kann man dafür ohne Aufwand schon eigene Bücher erzeugen und darauf speichern. Davon abgesehen teilen sich ja bisher einige große Verlage den Kuchen auf, dies ist ja auch von der “großen freien Welt” weit entfernt.
 
Redaktion: Ist es ein Gewinn, dass es gerade Apple ist, oder schließt das nicht viele Nutzer aus?
 
André Spang: Apple hat hier konsequent einen Weg verfolgt, wie bei anderen Produkten auch, vieles weggelassen und vereinfacht und am vergangenen Donnerstag in New York ein Authorentool kostenlos zur Verfügung gestellt, was auch noch die ganze Backline, sprich Veröffentlichungsmöglichkeiten, Vertriebsweg und Hardware zur verfügbar hat, einen “goldenen Käfig” wie ein Kollege es genannt hat. Solch einen goldenen Käfig kann nur Apple anbieten und er funktioniert, das ist die Stärke daran. Andere Hersteller hätten auch die Chance gehabt, so etwas zu produzieren und haben sie nicht genutzt. Dass hierdurch Nutzer ausgeschlossen werden, ist unschön. Ich denke aber, dass, wie erwähnt, andere Hersteller bald ähnliche Lösungen anbieten werden. Ich finde es aber wichtig, dass es jetzt etwas in dieser Art gibt und endlich jemand angefangen hat.
 
Redaktion: Sollte ein derartiges Konzept nicht open source sein?
 
André Spang: Jein. Ich denke, für die Schule und speziell für Lehrende ist ein zu offenes Konzept nicht geeignet. Lehrende wollen doch möglichst alles unter Kontrolle halten. Da kommt ein solcher “goldener Käfig” gerade recht. Man darf nicht vergessen, dass solch ein Konzept auch im hektischen und zeitlich sehr engmaschigen Schulalltag funktionieren muss. Wenn neue Technologie in der Schule nicht direkt funktioniert, hat sie die Chance der Veränderung verspielt. Wenn nächste Woche der Termin der Klassenarbeit ist, kann ich nicht sagen: “Ach, jetzt hat das heute nicht funktioniert, machen wir es einfach in der nächsten Stunde”. Und davon abgesehen, hat man ja die Möglichkeit, open source zu arbeiten, wenn man z.B. die Contents mit einem Wiki, Blog oder Etherpad entwickelt und die fertige Fassung dann in ein eBook einfliessen lässt. Dieses eBook kann man ja dann, sofern man es nicht kommerzialisieren will, frei zum Download auf der Schulwebseite anbieten, vorausgesetzt man hat keine Urheberrechte verletzt. Apple bleibt dann mit seinen Vertriebswegen aussen vor und das ist von Apple so auch geduldet.
 
Redaktion: Herr Spang, danke für das Gespräch. 
 
 
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