Wie lange wird das Schulbuch noch die Quelle sein, aus der Lehrerinnen und Lehrer Ihre Lehrmaterialien für den Unterricht beziehen? Seit dem öffentlich bekannt gewordenen Schultrojaner-Vertrag hat sich die Diskussion über die Monopolstellung der Schulbuchverlage intensiviert. Das dritte LernLab “Offenes Wissen und flüssige Lernbücher” beschäftigte sich mit der Frage, wie sich (Wissens-)Inhalte generieren, wer die Hoheit über die Bereitstellung von Inhalten haben kann und soll und wo die Potentiale und Probleme bei der Verwendung von Open Educational Resources (OER) liegen. Stephan Appelhans und Benjamin Wüstenhagen, beide Geschäftsführer von K-Lab Berlin und Bildungsaktivist Sebastian Hirsch stellten im LernLab zwei unterschiedliche Ansätze vor.

 

 

“Mein Unterricht” – der virtuelle Schreibtisch

 

Die beiden Geschäftsführer von K-Lab Berlin, einem Unternehmen, das webbasierte Anwendungen für den Bildungsbereich entwickelt, stellten die jüngst entwickelte Lehrerplattform “Mein Unterricht” vor. Die Plattform ist eine Art virtueller Schreibtisch, auf dem Lehrende sich medial ihre eigene individuelle Unterrichtseinheit organisieren und zusammenstellen können. Es richtet sich laut der beiden Referenten insbesondere an Lehrerinnen und Lehrer, die bisher nur wenig mit Medien gearbeitet hätten. “Mein Unterricht” könne allgemein die Unterrichtsvorbereitung erleichtern und somit den Lehrprozess optimieren und spannender gestalten. Hier finden sie nun neue didaktische und methodische Angebote über die Sucheingabe bestimmter Begriffe und Themen. Sie können sich mit anderen Lehrerinnen und Lehrern vernetzen, Materialen tauschen und individuell kombinieren; eigene Ideen können schneller umgesetzt werden. Während sich weniger medienaffine Lehrerinnen und Lehrer bisher immer noch ihre Inhalte selbst aus den verschiedenen Fachbüchern zusammengesucht haben, stellt “Mein Unterricht” ein organisatorisches Hilfsangebot dar, was gleichzeitig zur Förderung der Medienkompetenz gedacht ist. Die Unterrichtsmaterialien werden jedoch nach wie vor von Fachverlagen zur Verfügung gestellt. Die Qualitätssicherung ist so zwar gegeben, die Plattform ist jedoch kostenpflichtig und dadurch zugangsbeschränkt. 

 

Open Educational Resources (OER)

 

Bildungsaktivist Sebastian Hirsch sprach sich in dem LernLab für eine stärkere Nutzung und Weiterentwicklung von Open Educational Resources-Projekten und Materialien wie zum Beispiel der bereits angelaufenen und noch in der Experimentierphase befindenden “best-practice”-Projekte Schulbuchwiki oder Wikibooks aus. Seiner Ansicht nach sollte digitales Lehr- und Lernmaterial zukünftig frei im Internet zur Verfügung stehen. Insbesondere in Ländern, in denen das Bildungsangebot nicht so standardisiert sei wie in Deutschland, würde es den Zugang zu qualitativ hochwertigen Schulmaterialien sichern. Argumente seien neben dem leichteren Zugang zu den Materialien sowohl für die Jugendlichen als auch die Lehrenden für manche auch, dass diese finanziell erschwinglich seien und zum Ende des Schuljahres nicht abgegeben werden müssten. Zudem sei eine schnellere Aktualisierung möglich, die bei Verlagen häufig Jahre dauern würde. Was allerdings bisher als Lehr- und Lernmaterial bezeichnet werden könne, darüber gibt es bislang keine eindeutige Regelung.

 

Als erfolgreiches Beispiel nannte Sebastian Hirsch ein 2002 gestartetes OpenCourseWare-Projekt des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die US-amerikanische Universität war eine der ersten (von heute etwa 200 Hochschulen), die sukzessive ihre gesamten Kursunterlagen im Internet öffentlich zugänglich gemacht hat. Derzeit sind die Materialien von insgesamt fast 2000 Kurse in 33 Fächern online, die neben den Vorlesungsskripten auch Hausaufgaben und Vorbereitungen auf die anstehenden Klausuren enthalten. Die lizenzfreien Hochschulkurse sind für alle frei zugänglich und erhöhen somit die Anreize zur tatsächlichen Partizipation – ein Schritt zur virtuellen Hochschule. 

 

 

Akzeptanz von Open Source Materialien bleibt noch aus 

 

Während “Mein Unterricht” für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des LernLabs ein weiteres Bildungsangebot darstellte, bei dem die Qualität und der Zugang bereits kommerziell geregelt sind, boten der Umgang mit Open Source Materialien Anlass zur Diskussion. Der offene Zugang zu Lehr- und Lernmaterialien würde für Lehrerinnen und Lehrer zwar nicht nur eine finanzielle Erleichterung bedeuten sondern auch ihre Unterrichtsvorbereitungen vereinfachen. Trotz der vielen positiven Argumente steige die Akzeptanz für Open Educational Resources in Lehrerkreisen insgesamt jedoch nur langsam. Um nicht in einem Rechtsstreit mit den Verlagen zu enden, müsse seitens der Anbieter noch verstärkt über die Regelung und Vergabe von Drittlizenzen nachgedacht werden. Aber nicht nur die Verlage tun sich mit der uneingeschränkten Online-Bereitstellung von Materialien schwer, auch einige der teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer äußerten ihre Bedenken darüber, von ihnen erstelltes Material im Sinne einer CreativeCommens-Lizenz frei im Netz zur Verfügung zu stellen. 

 

Als problematisch gestaltet sich derzeit jedoch nicht nur die Rechtefrage. Da offenes Material von jedem erstellt, veröffentlicht und verändert werden kann, stellt sich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des LernLabs insbesondere die Frage der Qualitätssicherung. Wer entscheidet nun, welche Inhalte qualitativ hochwertig sind? Wer soll hier zukünftig die Hoheit für eine objektive Bewertung inne haben? Durch das Siegel der Schulbuchverlage scheint zumindest die Qualität der vorhandenen Materialien gesichert. Unklar bleibt auch, wie das neu zur Verfügung gestellte Material didaktisch aufbereitet werden kann – eine weitere Aufgabe der Schulbuchverlage. Nicht alle Fragen konnten in dem LernLab beantwortet werden, ein erster Schritt für eine höhere Akzeptanz von freien Materialien sei eine Prüfung der Inhalte durch die Kultusministerkonferenz, so Bildungsaktivist Sebastian Hirsch.

 

(kaw) 

 

Foto: flickr/dorena-wm