Die Relevanz neuer Medien im Alltag hat zu gesellschaftlichen Veränderungen geführt: Begriffe wie Demokratisierung und Partizipation sowie Individualisierung und Selbstbestimmung bekommen einen völlig neuen Charakter. Wie wirken sich die Nutzung der Medien und die daraus erkennbaren Veränderungen auf die Schule aus? Wie verändert das Web 2.0 das bislang relativ geschlossene System Schule und welche Rückwirkungen hat Schule dann wiederum auf den gesellschaftlichen Entwicklungsprozess? Christian Füller, Publizist und Pisaversteher sowie der Lehrer und Blogger Felix Schaumburg stellten in LernLab4 einige provokante Thesen vor, die hitzige Diskussionen auslösten.

 

 

Blogs: die neuen Schulbücher

 

Warum sollen Schülerinnen und Schüler täglich unzählige Bücher mit in die Schule schleppen, wenn sie alle (wären sie digital verfügbar) bequem auf ihrem Laptop oder iPad unterbringen könnten? Warum seitenweise Aufgabenblätter drucken, wenn sowohl Aufgabenstellung als auch Bereitstellung der Informationen und Materialien durch z.B. ein Weblog viel leichter zu realisieren ist? „Das Blog ist das neue Buch“ erklärten Füller und Schaumburg und verwiesen auf die vielen zusätzlichen Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung durch die methodische Integration von neuen Medien im Vergleich zum Buch. Nicht nur das Unterrichtsangebot durch die Lehrerin oder den Lehrer, sondern auch die Partizipation der Schülerinnen und Schüler sei im Gegensatz zu den starren Inhalten der Schulbücher freier, aktueller und zeichne sich vor allem durch größere Schülernähe aus. Offen blieben jedoch die Fragen, wie ein Blog konkret im Unterricht eingesetzt werden könne, wer die Qualität des Angebotes und der Teilnahme sichere und ob ein Blog wirklich auf allen Ebenen das Schulbuch ersetzen könne.

 

 

Tragen digitale Medien zur Demokratisierung bei?

 

Die Öffnung des Unterrichts und damit der Schule im Allgemeinen hin zu einer produktiven Anwendung neuer digitaler Medien ermögliche eine klare Demokratisierung, so die beiden Referenten. Während das Buch ein lineares Medium darstelle, fördere der Einsatz von z.B. Tablets, Weblogs, sozialen Netzwerken wie Facebook oder schuleigenen Wiki-Plattformen die Partizipation und Verantwortungsübernahme der Schülerinnen und Schüler und damit die Individualisierung, Eigeninitiative und das eigenverantwortliche Lernen. Lernen bekäme auf diesem Weg einen ausgeprägt kollaborativen und reflektierten Charakter. Der eindimensionale Frontalunterricht werde von einem mehrdimensionalen und vor allem einem die Lernenden aktiv einbindenden Unterricht abgelöst.

 

 

Wenn die Schule nicht mitzieht…

 

„Die Schule wird sich selbst abschaffen, wenn sie nicht auf den Medienwandel reagiert“, lautete eine der Thesen, die eine Vielzahl kontroverser Fragen und Meinungen hervorrief. Schulen, die sich vor dem Einsatz digitaler Medien bewusst verschlössen (beispielsweise weil von Seiten der Lehrerschaft kein Interesse besteht) oder die keine Finanzierungsmöglichkeiten hätten, würden auf längere Sicht ihre Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler für ein selbstverantwortliches und demokratisches Leben nach der Schule zu qualifizieren, nicht mehr erfüllen können. 

 

 

Angst vor dem Kontrollverlust?

 

Neue digitale Medien bedeuteten für den konkreten Schulalltag eine völlig neue Lernkultur. Diese sei unmittelbar mit einem Wandel der Lehrerrolle verbunden, die von vielen Lehrerinnen und Lehrern nur zögerlich angenommen werde. Die Angst vor dem Kontrollverlust sei, dies bestätigten auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des LernLabs, sehr hoch und verhindere den produktiven und konstruktiven Einsatz digitaler Medien. Inhalte und Abläufe ließen sich, so der Einwand, nur schwer überprüfen. Ebenfalls bestehe die große Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler mit unzureichenden Kenntnissen über den verantwortungsbewussten Umgang der Web-Medien mit der Verselbstständigung des Lernens überfordert und alleingelassen würden. 

 

 

(soi)