Über die neue Bildungsoffensive für Lehrende per Twitter: #EDchatDE

Seit September 2013 twittern Lehrende unter dem Hashtag #EDchatDE ein Mal in der Woche über Bildungsfragen. Das Format, neuartig im deutschen Raum, ist eine Art virtueller Online-Talk mit kurzen, maximal 140 Zeichen langen Textbeiträgen (Tweets). Die Initiative kommt direkt aus der Praxis und nutzt bereits bestehende digitale Strukturen. Das Ziel der Bildungsoffensive: Die Vernetzung und der Austausch zwischen Lehrenden sollen gefördert und Bildungsprozesse sichtbar gemacht werden. Regina Schulz, Lehrerin an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt und Teil des werkstatt.bpb-Teams, berichtet von ihren Erfahrungen mit dem innovativen Veranstaltungsformat.

 

Nach dem US-amerikanischem Vorbild #edchat tauschen sich seit September 2013 wöchentlich fünfzig Teilgebende (Stand: 28. November 2013) über den Kurznachrichtenanbieter Twitter aus. Die Anzahl steigt wöchentlich. Die Lehrer André Spang und Torsten Larbig sind Gründer des #EDchatDE und moderieren den Twitter-Austausch. Nach einer Vorstellungsrunde formulieren sie nacheinander Fragen. Die Teilgebenden antworten und diskutieren untereinander. Alle Kommentare verbindet der hashtag #EDchatDE. In einer Stunde entstehen so über fünfhundert tweets, die sich in den Deutschlandtrends von Twitter widerspiegeln. Am Ende jedes #edchats schlagen die Teilgebenden Themen für die kommende Woche vor und stimmen anschließend über diese ab. Die Themen des #EDchatDE kommen somit direkt von Bildungspraktiker_innen. Bisherige Themen waren unter anderem “Was muss man machen, damit Eltern vom Digitalen überzeugt werden?” und “Classroom management”.

 

#EDchatDE ist offen – in jeder Hinsicht. Das Format bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Partizipation. Jede_r mit einem Twitter-Account kann teilnehmen und wird somit Teil eines Lernprozesses – vieler Prozesse –, deren Ausgänge zu Beginn jedes Chats ungewiss sind. Ein End-Ergebnis gibt es bei #EDchatDE nicht, vielmehr sind die Lernprozesse der Teilnehmenden individuell und dynamisch.

 

#Edchats öffnen das Verständnis von Bildung, indem sie Hierarchien der Informationsvermittlung aufbrechen. Der Austausch von Informationen, Meinungen und Erfahrungen und das gemeinsame Lernen stehen im Vordergrund, nicht die unilaterale Verbreitung von Bildung. Jede_r Teilgebende kann seine Kompetenzen öffentlich einbringen und erweitern. So öffnet sich nicht nur das Abstraktum ‘Bildung’, sondern auch die dahinterstehenden Institutionen – Bildungseinrichtungen, Klassen- und Lehrerzimmer. Unterrichtspraxis kann so gemeinsam reflektiert, evaluiert und optimiert werden – sofern dies in 140 Zeichen möglich ist. 140 Zeichen abstrahieren und verallgemeinern; sie erleichtern die Kommunikation, erschweren jedoch die Darstellung konkreter best-practice Beispiele und Handlungsempfehlungen. 

 

Der #EDchatDE nutzt bestehende virtuelle Strukturen, um Lehrende zu vernetzen, Fragen aufzuwerfen und zu diskutieren. Durch #EDchatDE bildet sich eine wachsende Anzahl von Lehrenden, deren Diskussionen weitergeführt oder im Nachhinein rezipiert und reflektiert werden können. #EDchatDE ist vollkommen transparent. Zwar begleiten und dokumentieren ein Blog und ein Wiki den wöchentlichen Twitter-Chat, jedoch nicht um zu ordnen, oder nachträglich Strukturen zu schaffen, sondern um die Prozesse nachvollziehbar und sichtbar zu machen.

 

Die Hattie-Studie “Visible Learning” arbeitet das ,Sichtbarmachen von Lernprozessen und -erfolgen‘ als Prämisse erfolgreichen Lernens heraus. Die #edchats dokumentieren zwar Diskussionen und Kontroversen und bilden so Bildungsprozesse ab, für (Noch-)Außenstehende mögen diese offenen Dokumentationen jedoch verwirrend und chaotisch erscheinen. Teilnehmende müssen sich daher bewusst auf die Offenheit des Formats einlassen und die Inhalte individuell strukturieren. Diese Schwerpunktsetzung macht einen Teil jedes individuellen Lernprozesses aus. 

 

Für mich hat der #EDchatDE einen Lernprozess angestoßen: Ich verarbeite neue Anregungen, vernetze mich weltweit mit Lehrenden über meinen Twitter-Account. Ich lese Kommentare nach, strukturiere sie und füge weitere hinzu. Dabei stelle ich mir die Frage: Kann der #EDchatDE eine digitale Feedbackkultur, einen Austausch und eine Vernetzung von Lehrenden dauerhaft etablieren? Ich hoffe es. Denn so kann aus vermeintlichen Einzelkämpfer_innen eine wachsende digitale professionelle Lerngemeinschaft werden, die Herausforderungen des Schulalltags gemeinsam überwindet und diese Offenheit in die Lehrerzimmer trägt. 

 

Der #EDchatDE findet jeden Dienstag von 20 bis 21 Uhr statt. Fragen werden auf deutsch und auf englisch formuliert. Über Themen des kommenden #EDchatDE kann bis Montag, 18 Uhr abgestimmt werden. 

 

Foto: Screenshot von Twitter.com