Interaktive Tafeln werden als Werkzeuge für einen interaktiven und nachhaltigen Unterricht gepriesen. Nicht alle Lösungen lassen sich jedoch zielgerichtet in den Unterricht integrieren. Richard Leinstein erläutert im dritten Teil seiner Reihe, welche Erfahrungen das Kollegium des Platen-Gymnasiums Ansbach im Einsatz mit einer interaktiven Tafel gemacht hat. Er beschreibt, welche neuen didaktischen Möglichkeiten interaktive Whiteboards bieten und wo sich Schwierigkeiten in der Umsetzung ergeben. Bleibt das neue Medium hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück?
Die Funktion der Tafel im Unterrichtsmethodenmix
Als unser interaktives Whiteboard im Januar 2012 von unseren Lehrkräften aktiv in die Unterrichtsgestaltung einbezogen wurde, ist ein zentraler Gedanke der des schüleraktivierenden Unterrichtens. Es gibt zudem die Idee, die Schülerinnen und Schüler durch das Interagieren mit Unterrichtsinhalten an der interaktiven Tafel stärker an der Unterrichtsgestaltung partizipieren zu lassen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Erstellung entsprechenden digitalen Materials sehr zeitaufwendig ist. In dem Zeitrahmen, den das G8 den Schülerinnen und Schülern im Fremdsprachenunterricht gerade ab der Jahrgangsstufe 7 gewährt, sind solche eher längeren Phasen der Schülerselbständigkeit im Rahmen des Unterrichts kaum durchführbar. Somit wird die interaktive Tafel im Wesentlichen in einem durch die Lehrenden strukturierten Unterricht zur interaktiven Erarbeitung neuer Inhalte genutzt. Als Ergänzung zur Frei-, Partner- Gruppen- und Stillarbeit wenden die Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines schüleraktivierenden Methodenmixes dabei vereinzelt direkt am Whiteboard aktivierende Übungen an.
Die Reaktion der Schülerinnen und Schüler auf das interaktive Medium ist dabei durchaus positiv und auch die Motivation, sich am Unterricht aktiv zu beteiligen, steigt mit der Aussicht, seine Ergebnisse am Whiteboard präsentieren zu dürfen. Dabei bleibt derzeit noch offen, ob diese Motivation eventuell etwas schwindet, sobald die interaktive Tafel als gängiges Unterrichtsmedium erfahren wird. Im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern stellt sich zudem heraus, dass sie dieses Medium als einen Versuch der Schule ansehen, zur digitalen Lebenswirklichkeit der Jugendlichen aufzuschließen, was als gesteigerte Wertschätzung ebendieser interpretiert wird und auch dadurch in gesteigerter intrinsischer Motivation resultiert.
Erinnerungsorientiertes Lernen ohne Medienbrüche
Im modernen Fremdsprachenunterricht ist bei landes- und kulturkundlichen Unterrichtssequenzen durchaus der Einsatz von geeignetem Film- und Bildmaterial üblich. Der Einsatz der entsprechenden Medien soll es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, in den noch weitgehend fremden Kulturkreis einzutauchen. Da hier bisher bei einer eher traditionellen Unterrichtsgestaltung die entsprechenden Audio- und Videomaterialien über einen Beamer präsentiert und die notwendigen Vokabeln an der Kreidetafel festgehalten werden, findet ein Medienbruch statt, der das Vokabular in unnötiger Weise von den dargestellten Bildinhalten abstrahiert und dissoziiert. Mit einem modernen interaktiven Whiteboard ist es nun möglich, einen Film zu pausieren, mit dem Boardstift Vokabeln, Erläuterungen oder auch graphische Visualisierungen von Zusammenhängen direkt in das Videobild zu zeichnen und den gesamten Kontext als Bildschirmfoto zu speichern. Dieses wiederum kann den Schülerinnen und Schülern im Rahmen einer Vokabelübersicht zu Verfügung gestellt werden.
Über den bereitgestellten Situationskontext wird so der erinnerungsbasierten Gedächtnispsychologie nach Prinz (vgl. Scherner 2006) Rechnung getragen. Die Schülerinnen und Schüler verbinden mit den Vokabeln nicht mehr nur abstrakte Wortlisten an der Tafel, sondern auditive, visuelle sowie Bewegungseindrücke. Diese wiederum verbessern deutlich die lernpsychologische Verbindung zwischen Einprägungs- und Erinnerungszeitpunkt und ordnen das zu memorierende Material in einen sinnhaften Kontext. Dies führt nach dem Gedächtnisapparatmodell nach Ebbinghaus (vgl. ebenda) zu einer Senkung der Vergessensrate und erleichtert das Erlernen von neuem Wortschatz und neuen Ausdrucksmöglichkeiten.
Speichermedium: den Erarbeitungsprozess veranschaulichen
Das Kollegium schätzt als einen der größten Vorteile des interaktiven Mediums die Möglichkeit, jederzeit auf gespeicherte, gemeinsam mit der Lerngruppe erarbeitete Tafel-, Schau- und Konzeptbilder sowie Mindmaps zurückgreifen zu können. Die einzelnen Unterrichtsstunden können so auch für die Schülerinnen und Schüler nachvollziehbar als Teil einer ganzen Erarbeitungssequenz erlebbar gemacht werden. Ihre Inhalte werden nicht mehr isoliert in 45-Minuten-Häppchen bearbeitet, sondern können in einen Situations- und Zeitkontext eingebettet werden.
Vom Präsentationsmedium zur Interaktivität
Derzeit wird die interaktive Tafel von den Schülerinnen und Schülern der Mittelstufe insbesondere als unkompliziertes Präsentationsmedium genutzt. Hier liegt es an den Lehrkräften, die Schülerinnen und Schüler auch zum Einsatz der boardspezifischen Software zu motivieren, die auch für den heimischen Gebrauch zu Verfügung gestellt werden kann. Mit Hilfe dieser Software lassen sich Referate und Hausaufgaben vorbereiten, die sowohl vorstrukturierte Präsentations- als auch interaktive Erarbeitungselemente beinhalten. Dadurch können Referate, die nur zu oft eine monodirektionale Kommunikation darstellen, durch echte Lernen-durch-Lehren-Sequenzen nach der Konzeption Professor Jean-Pol Martins abgelöst werden. Laut dieser erarbeiten Schülerinnen und Schüler “einen Lernstoffabschnitt selbständig”, und prüfen gleichzeitig, “ob die Informationen wirklich angekommen sind” und sorgen schließlich durch geeignete Übungen dafür, “daß der Stoff verinnerlicht wird”. (Vgl. Geiger, Lernen durch Lehren) Die Schülerinnen und Schüler bereiten also nicht nur die Präsentation von Informationen wie bei einem traditionellen Referat vor. Sie können mithilfe des interaktiven Whiteboards Module erarbeiten, mit welchen getestet werden kann, ob die Informationen und Zusammenhänge die Klasse erreicht haben. Die Klasse fungiert hierbei sowohl als erarbeitende sowie rückmeldende Instanz. Problemlos lassen sich kleine Quiz-Einheiten, Memory-Spiele und vergleichbare unmittelbar spielerisch aktivierende, aber dennoch präzise und unmittelbare Rückmeldung gebende Module erstellen, die für die Klasse zugleich Übungs- als auch Testcharakter haben. So durchdringen nicht nur diejenigen Schülerinnen und Schüler, die das Modul erarbeitet und sich intensiv mit zentralen Aspekten und Zusammenhängen auseinandergesetzt haben, den Lernstoffabschnitt profunder, sondern auch die Schülerinnen und Schüler der interaktiv involvierten Klasse.
Die Lehrkräfte müssen beim Einsatz von digitalen Whiteboards umdenken und zumindest anfangs noch mehr Unsicherheiten zulassen. Das neue Medium birgt die Gefahr, auch von den Lehrerinnen und Lehrern als traditionelles Präsentationssystem vom angeschlossenen Computer aus bedient zu werden, weil sie währenddessen die Klasse besser im Blick haben können. Darüber hinaus verfügen sie auch über eine größere Sicherheit im Umgang mit den Eingabewerkzeugen Maus und Tastatur, als über die finger- und stiftbasierten Interaktionsmöglichkeiten der interaktiven Tafel. Um Eingabefehler zu verwenden, werden diese bisher nur dementsprechend selten genutzt.
Anmerkungen:
– Schermer, Franz, Grundriss der Psychologie: Lernen und Gedächtnis: BD 10, Kohlhammer: Stuttgart (2006), S. 103ff.
– Winfried Geiger, Lernen durch Lehren, http://www.ldl.de/Material/EmpfLiteratur/geiger.pdf
Foto: flickr / Kathy Cassidy
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