Anders als in Polen ist die Entwicklung von Open Educational Resources in den USA dezentral durch unterschiedliche Akteure und Initiativen gesteuert. Leonhard Dobusch, Juniorprofessor am Institut für Management der Freien Universität Berlin und Blogger, fasst die Lage in den USA zusammen und gibt seine Handlungsempfehlung für Deutschland.

 

Lernunterlagen sind für Studierende an US-amerikanischen Colleges ein substantieller Kostenfaktor, der mancherorts die Höhe der Studiengebühren übersteigt. Es sind aber nicht nur erwartete Einsparungen, die in den USA das Thema offene Lernunterlagen (Open Educational Resources, OER) zu dem Bildungsthema der Stunde machen. Verantwortlich für einen Boom im Bereich Open Education ist das Zusammenwirken einer Vielzahl von Akteuren und Initiativen.

 

Seit Jahren fördern finanzstarke private Stiftungen den Aufbau von Open-Edcuation-Projekten. So finanziert die Flora and William Hewlett Foundation bereits seit 2001 das Open-Courseware-Programm am Massachusetts Institute of Technology (MIT), in dem mittlerweile Unterlagen über 2.000 Kurse unter einer Creative Commons-Lizenz kostenlos zugänglich sind. Auch andere Stiftungen wie die Bill and Melinda Gates Foundation investieren Millionenbeträge in die Erstellung von Lernunterlagen unter freien Lizenzen. Außerdem investieren Stiftungen wie die Saylor Foundation auch in die Zertifizierung offener Lernangebote: Es sind also nicht nur die Unterlagen frei online zugänglich, sondern ganze Online-Kurse samt Zertifikat im Falle erfolgreicher Absolvierung.

 

Zusätzlich zu privaten Projekten philanthropischer Stiftungen gewinnt das Thema Open Education in den letzten Jahren auch im politischen Bereich an Bedeutung, vor allem auf Ebene der US-Bundesstaaten. Beispielsweise beschloss das kalifornische Parlament kürzlich die Einrichtung des „California Open Education Resources Council“, der in offener Ausschreibung und nach Expertenbegutachtung die Erstellung von offenen Lernunterlagen finanziert und in einer digitalen Lehrbuchbibliothek zusammenführt. Im Bundesstaat Washington wiederum gibt es eine „Open Course Library“, in der die staatlichen Colleges offene Kursunterlagen gemeinsam zum Download anbieten. Und auf nationaler Ebene veranstaltete das US-Bildungsministerium einen Videowettbewerb zum Thema „Why Open Education Matters?“.

 

Kooperationspartner und Teilnehmer an diesem Wettbewerb waren die dritte Gruppe von Akteuren, die Open Education in den USA vorantreiben: NGOs wie Creative Commons, die im Bildungsbereich die besonders offenen Versionen ihrer Lizenzen empfehlen und Unternehmen, wie Flatworld Knowledge. Das Geschäftsmodell von Flatworld Knowledge ist mit der Verwendung von offenen Lizenzen kompatibel. Die PDF-Version eines Lehrbuchs ist als kostenloser Download verfügbar, verdient wird mit Dienstleistungen bei der Aufbereitung der Lernunterlagen und mit dem Verkauf von Printausgaben.

 

Im Ergebnis führen diese Initiativen zu einer Vielzahl an verschiedenen Open-Education-Webseiten, ein zentrales Open-Education-Portal fehlt auch in den USA noch. Hinzu kommt, dass die unterschiedlichen Initiativen bisweilen inkompatible Lizenzen für ihre Inhalte wählen. So sind Inhalte des Open-Coursware-Programms am MIT nicht ohne weiteres mit Inhalten des Wikipedia-Schwesterprojekts Wikibooks kombinierbar, weil das MIT die kommerzielle Verwendung ihrer Inhalte untersagt, die Wikibooks-Lizenz diese aber zulässt. Aber auch in dieser Hinsicht lässt sich ein Trend hin zu offeneren Lizenzen beobachten, weil immer klarer wird, dass die Möglichkeit zur Rekombination vorhandener Lernunterlagen eine der zentralen Stärken von Open Education ist.

 

Im Vergleich zu der Vielzahl an Initiativen und der Menge an offen lizenzierten Lernunterlagen in den USA ist Deutschland noch in der Open-Education-Steinzeit. Hauptgrund dafür ist wohl, dass hierzulande große Stiftungen fehlen, die Anschubfinanzierung leisten und so die öffentliche Hand antreiben. Ohne Investitionen und damit zumindest kurzfristige Mehraufwände werden sich aber die langfristigen Potentiale von Open Education nicht heben lassen. Es ist also hoch an der Zeit, dass auf die mit Milliarden ausgestattete „Exzellenzinitiative“ eine „Open-Education-Initative“ folgt.

 

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