“Man könnte schon mehr digitale Medien im Unterricht benutzen, immerhin leben wir im 21. Jahrhundert” steht auf einer der Postkarten des Projekts werkstatt.bpb.de. Das Zitat stammt von einem Schüler der neunten Klasse, und wenn man schülerzentriertes Arbeiten ernst nehmen will, kann man auf digitale Medien nicht mehr verzichten. Für Dialog macht Schule ist der Einsatz des Web 2.0 längst ein wichtiger Bestandteil der wöchentlichen Gruppensitzungen.

 

Dies ist der zweite einer Reihe von Artikeln, in denen die Moderatoren des Projekts “Dialog macht Schule” von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichten

 

von Siamak Ahmadi und Hassan Asfour

 

Die Auseinandersetzung mit den neuen Medien ist seit langem ein wichtiger Pfeiler der politischen Bildung geworden. Denn Jugendliche erfahren sich und die Welt, in der sie leben, über diese Kommunikationsstrukturen (Scheunpflug, 2011). 

 

Dass die neuen Medien fester Bestandteil der Lebenswelt unserer Schüler und Schülerinnen sind, erleben auch wir gleich zu Beginn unserer Sitzungen immer wieder aufs Neue. Wenn wir die Jugendlichen in unseren Eingangsrunden nach ihren Aktivitäten der letzten Woche fragen, bekommen wir häufig zu hören “Ich hab’ im Internet gesurft”. Internet wird bei den sogenannten “Digital Natives” meist synonym mit Facebook und YouTube verwendet, die wichtige Bestandteile ihrer Lebenswelt sind. Sie bieten den Schülerinnen und Schülern eine Plattform, auf der sie sich selbst inszenieren, miteinander kommunizieren und sich mit sogenannten Internet-Memes oder -Hypes auf dem Laufenden halten können. Zu diesen Memes oder Hypes gehören vor allem Bilder, Animationen, Videoclips und Webseiten, die oft humoristischer, teilweise schockierender, aber auch immer wieder informativer Natur sind und sich rasend schnell über das Web verbreiten. 

 

In den Dialogsitzungen bieten wir den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, uns ihre neuesten Internetentdeckungen zu zeigen, wodurch wir einen Einblick in aktuelle Interessen und Trends erhalten, die nicht selten einen Dialog anstoßen. Umgekehrt nutzen auch wir kurze Clips, um die Schüler und Schülerinnen zu einem Gespräch oder zu einer Diskussion anzuregen.

 

In einer der Sitzungen wurde den Schülerinnen und Schülern der Clip “Kony 2012” der Invisible-Children-Bewegung gezeigt – ein Clip, der sich Anfang dieses Jahres rasend schnell über Facebook und andere Medien verbreitete. Es handelt sich dabei um eine in der Öffentlichkeit sehr umstrittene Kampagne, die darauf abzielt, einen Kriegsverbrecher aus Uganda, der Kindersoldaten ausbildet, bekannt zu machen, um so seine Festnahme zu erleichtern.

 

Es ging bei der Besprechung dieses Clips zunächst darum, zu sehen, wie das Video bei den Schülern und Schülerinnen ankommt. Dabei wurde unter anderem mit folgenden Fragen gearbeitet: Wie wird die Lage in Uganda dargestellt? Welche Szene hat euch besonders berührt oder mitgerissen? Warum glaubt ihr, hat sich das Video innerhalb kürzester Zeit so schnell verbreitet?

 

Nach der eingehenden Beschäftigung mit den Eindrücken, Inhalten und Botschaften des Videos, wurde ein Gegenclip gezeigt, um den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, ihre ersten Eindrücke auf den Prüfstand zu stellen. Dabei ging es vor allem darum, einen Dialog anzustoßen, in dem verschiedene Perspektiven zu einem Thema beleuchtet werden und einen Raum für Fragen nach den Ursachen des im Clip dargestellten Problems, den Interessen hinter der Kampagne und der Wirkung Afrikas auf die Weltgesellschaft zu schaffen. Die Antworten auf diese Fragen sollten dann von den Schülern und Schülerinnen selbst recherchiert werden. 

 

Ziel dieser Gruppenarbeit war dabei vorrangig, die politische Dimension des Clips zu beleuchten und neu gewonnene Informationen in einen Gesamtzusammenhang zu stellen. Die Schülerinnen und Schüler sollen so ihre Urteilskraft stärken und sich den Folgen des “sich-berieseln-lassens” bewusst werden. Wir wollten mit dieser Einheit dafür sensibilisieren, Gesehenes zu hinterfragen und selbst aktiv zu recherchieren, statt nur zu konsumieren.

 

Im Netz finden sich nicht nur Clips, die Anregungen für interessante Dialoge liefern, sondern auch wertvolle Animationen, die komplexe Sachverhalte, wie ACTA, den Syrienkonflikt oder das Thema Menschenrechte für Jugendliche verständlich darstellen und den Zugang zu diesen, teilweise nicht leicht zu verstehenden Themen erleichtern können. 

 

Relevante Clips werden von uns nach den Sitzungen bei Facebook hochgeladen. Hier haben viele Dialogmoderatoren gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern Gruppen eingerichtet, um sich auch außerhalb der Sitzungen auszutauschen. Diese digitale Dimension der wöchentlichen Treffen bietet in der Zusammenarbeit mit den Schülern und Schülerinnen mehrere Vorteile. Denn zum einen zeigt es den Jugendlichen, dass wir einen Schritt in ihre virtuelle Lebenswelt wagen und eine andere Herangehensweise im Umgang mit ihnen nutzen, als sie es aus der Schule gewohnt sind. Zum anderen ist Facebook auch ein wichtiger Teil unseres Alltags, was für die Schüler und Schülerinnen einen hohen Stellenwert hat. 

 

Bei der Arbeit mit den neuen Medien legen wir vor allem großen Wert auf die kritische Auseinandersetzung mit ihrer Nutzung. Dabei gehen wir bspw. darauf ein, wie Wikipedia funktioniert und versuchen gemeinsam mit den Jugendlichen der Frage nachzugehen, was Internetriesen wie Facebook und Google mit den Informationen machen, die man dort von sich preisgibt und ob “Ballerspiele” sowie soziale Netzwerke wirklich süchtig machen können. 

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Einsatz der neuen Medien unseren Schülerinnen und Schülern zeigt, dass wir uns gerne auf Themen einlassen, die zu ihrem Alltag gehören. Kurze Clips auf Youtube und co. initiieren Dialoge und helfen uns dabei, komplexe Sachverhalte auf einfache Weise zusammenzufassen. Die Arbeit mit den Medien setzt jedoch voraus, sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen und das Konsumierte mit Vorsicht zu genießen. 

 

Zukünftig wollen wir die neuen Medien noch stärker in der Schülerprojektarbeit einsetzen und die Jugendlichen dazu ermutigen, eigene audiovisuelle Produkte von der Planung bis hin zur Verbreitung selbst zu erstellen. Sie erhalten so die Möglichkeit sich als aktive Produzenten und Produzentinnen von Ideen zu erfahren, statt immer nur vorgefertigtes Material zu konsumieren. 

 

Foto: Flickr/jmtosses