Noten für Lernende, aber nicht für Lehrende – ist das gerecht? Was macht eine „gute“ Schule aus? Was einen guten Lehrer, eine gute Lehrerin? Unter anderem diesen Fragen geht Peter Struck, Professor für Erziehungswissenschaften, im vierten Teil seiner „Lerneffekte“ nach. Gewohnt pointiert stellt er seine Sicht auf Schule, Lernen und Lehren dar. Die Community ist eingeladen zu ergänzen, zu widersprechen und aus ihrer Sicht zu berichten.
von Peter Struck
Lerneffekt 21
Noten für Lehrer
In Nordrhein-Westfalen begann schon vor vielen Jahren ein Modellversuch, mit dem Studierende am Schluss des Semesters ihre Professorinnen und Professoren bewerten. Nachlesen kann man die Ergebnisse auf der Internetseite www.meinprof.de. Mittlerweile gibt es solche Angebote auch für Schülerinnen und Schüler.
Auf der Internetseite www.spickmich.de können Lernende ihre Lehrkräfte in neun Aspekten bewerten: sexy, cool, beliebt, motiviert, menschlich, gelassen, Unterrichtsqualität, Prüfungsverhalten und Notengerechtigkeit. Über 100.000 Mal wurden dafür bislang die Schulnoten eins bis sechs vergeben. Folge: wütende Beschimpfungen per Brief oder Mail an die Initiatoren, die zum Schluss kommen: Die Lehrkräfte ertragen so etwas nicht, muten ihren Schülerinnen und Schülern aber Ähnliches zu. Hier stimmt also die Symmetrie des Umgangs miteinander nicht. Klar, könnte man sagen, Lehrkräfte hätten Lebenserfahrung, beherrschten den Unterrichtsstoff, sind älter und weiser und seien deshalb legitimiert, über junge Menschen zu urteilen, junge Menschen hingegen könnten gar nicht ermessen, was gute und schlechte Lehrende sind. weiterlesen
Lerneffekt 22
Schulverbund „Blick über den Zaun“
Oft werde ich von Eltern gefragt, ob ich ihnen eine „gute“ Schule empfehlen könne. Nun ist einerseits klar, dass die Frage je nach Besonderheit des einzelnen Kindes anders beantwortet werden muss und dass andererseits meist Wegeprobleme im Wege stehen; denn was nützt es einer Familie, wenn die nächste besonders „gute“ Schule 150 km entfernt liegt? Aber ich kenne Familien, die von Hamburg nach Wiesbaden, Jena, Friedrichshafen, Potsdam oder Herten umgezogen sind, um ihrem Kind eine optimale Lernsituation zu verschaffen. Die besonders erfolgreichen deutschen Schulen haben sich mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung zu einem Schulverbund mit dem Namen „Blick über den Zaun“ zusammengefunden, um, wie die Formulierung bereits verrät, voneinander zu lernen. weiterlesen
Lerneffekt 23
Nicht bei jedem Lehrer wird gelernt
Der berühmte Hirnforscher Manfred Spitzer aus Ulm behauptet: „Der Lehrer ist mit weitem Abstand wichtigster Faktor beim Lernen in der Schule (…), man kann nicht sagen, woran das liegt, aber man sieht es sofort, dem einen hängt die Klasse an den Lippen, der andere kann machen, was er will, und keiner hört zu“.
Damit will er aber nicht sagen, dass der Lehrer, die Lehrerin für seine Schülerinnen und Schüler lernen könne, das können sie nur selbst. Er ist also nur so etwas wie ein Medium, ein Motivator, jemand, der für die Lernatmosphäre zuständig ist, nicht für das Lernen selbst, denn die Schüler und Schülerinnen müssen beim Lernen die Tore selber schießen, nicht der Lehrer oder die Lehrerin – wie die Finnen sagen. weiterlesen
Lerneffekt 24
Ob was gelernt wurde, weiß man frühestens nach sechs Wochen
Wenn es ein Abiturient oder eine Abiturientin schafft, während der letzten vierstündigen Mathe- Abschlussklausur in Begleitung der zweiten Aufsichtsperson, die vor der Tür des Klos warten muss, per Handy tonlos von einem zu Hause sitzenden Freund die Lösung einer schwierigen Aufgabe vom Display seines Handys abzulesen, ohne dass die Aufsichtsperson das merkt und deshalb eine gute Punktzahl in Mathe bekommt, dann hat er eine gute Note verdient, denn er hat sich unter erschwerten Bedingungen als außerordentlich erkundungsstark erwiesen. Die bisherige Schule ordnet so etwas aber als Betrugsversuch ein. Es ist heute nicht unabdingbar wichtig, auf Kommando die Hauptstadt von Burkina Faso hersagen zu können, wichtig ist zu wissen, wie man das ganz schnell herausbekommt. Man sollte allerdings wissen, wie die Hauptstadt von Italien heißt, denn das gehört zum allgemeinbildenden Fundamentum. weiterlesen
Lerneffekte 25
Einheitliche Schulbücher?
Die Schulbuchverlage werden sich freuen: Annette Schavan, die Bundesbildungsministerin äußerte den Wunsch, einheitliche Schulbücher für ganz Deutschland zu entwickeln. Nun ist Schule zwar Ländersache, aber sie will ihren Plan mit finanzieller Unterstützung des Bundes schmackhaft machen. Den Schulbuchverlagen ging es in letzter Zeit schlecht: Die vielen Bundesländer und Schulformen, die ständigen Reformen nicht nur der Rechtschreibung, sondern auch der Lehr- bzw. Bildungspläne und zudem die Sparmaßnahmen in den Landeshaushalten sorgten für relativ kleine Auflagen der mehr als 2.000 unterschiedlichen Schulbücher, und sie führten auch dazu, dass so mancher Lehrer das Kopieren von Texten in Klassenstärke für sinnvoller hielt, als Schulbücher zu kaufen. weiterlesen
Lerneffekt 21
Noten für Lehrer
Kommentar
Sehr geehrter Herr Peter Struck,
grundsätzlich sehe ich die Bewertung von Lehrern und vor allem von Lehrpersonal an Hochschulen als sehr positiv. Natürlich dürfen auch Schülerinnen und Schüler und erst recht Studentinnen und Studenten ihr Lehrpersonal bewerten. Allerdings stellt sich mir die ernsthafte Frage: Wie?
Die Plattform Internet bietet Vorteile, aber nicht nur das. Sie verschafft auch denen, die nicht geübt sind, sich sachlich und konstruktiv auszudrücken, die Möglichkeit, andere Menschen zu verunglimpfen, denn auch Lehrer sind Menschen. Das wiederum widerstrebt mir und widerspricht dem, was Lehrer ihren Schülern in Bezug auf Kritik und Dialog lehren sollten.
Sehr geehrter Herr Struck, verraten Sie mir doch einmal, was hat ein „Sexy-Lehrer“ in der Bewertung zu suchen? Oder sind Lehrer jetzt zu Sexobjekten geworden? Und was hat dieser mit gutem Unterricht zu tun???
Die Aspekte: beliebt, motiviert, gelassen, Unterrichtsqualität dagegen sehe ich als wertvoll an. Notengerechtigkeit alleine ist ebenfalls einseitig und sollte grundsätzlich als „gerecht oder ungerecht“ in die Bewertung eingehen. Jede Bewertung ist subjektiv, sollte aber so objektiv und sachlich wie nur möglich abgegeben werden. Ich gehe immer von der uralten Goldenen Regel aus, die besagt: Was ich nicht will, das andere mir tun, das tue ich ihnen auch nicht. Oder positiv formuliert: Was ich will, wie andere zu mir sein sollen, so bin ich zu ihnen.
Die Goldene Regel in der Schulpraxis bedeutet ganz einfach: Ich als Lehrerin wertschätze meine Schüler, weil ich von ihnen wertgeschätzt werden möchte. Ich achte sie, weil ich von ihnen Achtung erwarte….Ich kann auch nichts erwarten, was ich nicht selber vorlebe. Hier sind wir bei einem sehr wichtigen Aspekt, nämlich der Vorbildwirkung. Bildung ist nicht einfach nur eine Sache des Wissens, sondern sie ist Charakterbildung! Auch das ist nichts Neues. Weiterhin ist Bildung eine Sache des Herzens. Wenn ich meine Schüler mag, höre ich ihnen zu und versuche sie zu verstehen.
Auf der anderen Seite sollte die Lehrkraft immer auch eine Autoritätsperson bleiben. Verliert sie diese Autorität vor den Schülern, werden sie ihr auf der Nase herum tanzen. Das ist meine feste Überzeugung und Erfahrung aus mehr als 10 Jahren Unterricht. Das „Du“ oder „Sie“ alleine birgt keine Autorität in sich. Natürlich verlieren auch Schüler die Achtung vor einem Lehrer, wenn er ungerecht ist, herum brüllt usw. wofür ich absolut kein Verständnis habe!
Die Bewertung der Schulbehörde in Hamburg durch Schulleiter sehe ich allerdings als Witz an. Erstens haben viele Schulleiter kaum die Möglichkeit, den Unterricht ihrer Lehrer, schon allein aus zeitlichen Gründen, zu bewerten, und zweitens sehen sie die Lehrer nicht aus der Sicht des Schülers.
Ihre Aussage:“.. die Initiatoren der Internetseite http://www.spickmich.de haben festgestellt, dass viele Referendarinnen und Referendare sowie junge Lehrkräfte nach miesen Noten ihren Unterricht in Rücksprache mit ihren Klassen umgestellt haben und dann prompt deutlich besser benotet wurden! Von der Benotung der Lehrer und Lehrerinnen haben also auch Schülerinnen und Schüler profitiert, während dadurch wahrscheinlich keiner von ihnen Nachteile in Kauf nehmen musste.“ , ist eine wohl auch eher spaßig gemeinte Aussage.
Dass Referendare und Junglehrer in manchen Entscheidungen vielleicht noch unsicher sein können, ist verständlich. Sie dann aber durch Aussagen im Internet unter Druck zu setzen, ist wohl eher schändlich und primitiv. Das Bewertungskriterium „Notengerechtigkeit“ auszuwählen und danach eine derartige Aussage vom Stapel zu lassen, ist ein Widerspruch in sich selbst. Auf der einen Seite Gerechtigkeit fordern und auf der anderen Seite junge Lehrer verunsichern und ihre Entscheidungen zu untergraben, was soll man dazu noch sagen.
Hat das etwas mit Pädagogik zu tun?
Mich würde einmal persönlich interessieren, ob die Autoren dieser Seite bereits als Lehrer vor jungen Menschen gestanden haben und die Arbeit, die sie beurteilen wollen, auch wirklich beurteilen können.
Heidemarie Mund
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