Digitale Medien im Schulunterricht sind aus vielerlei Hinsicht sinnvoll und bereichernd, berücksichtigt man einige Rahmenbedingungen bei ihrem Einsatz. Warum sie sich insbesondere für den Unterricht im Schulfach Geschichte eignen, dem geht Johannes Gienger in diesem Gastbeitrag aus der Praxis nach. Er ist Gymnasiallehrer für das Fach Geschichte sowie
(Mit-)Autor und (Mit-)Produzent von Software ebenfalls für das Fach Geschichte.

 

Zunächst bietet der Einsatz von Computern und Medien per se keinerlei Garantie für einen besseren bzw. nachhaltigeren Unterricht. Genauso wie ein Unterricht mit Büchern und Kreidetafel scheitern kann, kann auch der computerbasierte Unterricht, unabhängig vom Unterrichtsfach, ins Leere laufen. Vermittlung von Sachwissen, Problematisierung, Erziehung zu kritischem Denken, Vermittlung von Kompetenzen sind mit und ohne Buch, mit und ohne Computer möglich.

 

Dennoch spricht eine Reihe von Gründen für den funktionalen Einsatz von Computern und Medien gerade auch im Geschichtsunterricht:

 

  • Wir leben in einem digitalen Zeitalter, der Unterricht kann auf Dauer nicht mit antiquierten Mitteln gestaltet werden. In allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft dominiert der Computer die Arbeits- und Kommunikationsabläufe, in der Schule steht die Kreidetafel quasi symbolhaft im Zentrum des Klassenzimmers. Deren Anblick allein führt auf Dauer dazu, dass die Schüler und Schülerinnen die Schule nicht mehr ernst nehmen: ein schleichender Prozess, der längst eingesetzt hat.
 
  • Medienbildung gilt zu Recht als Kulturtechnik neben Lesen, Schreiben und Rechnen. Ohne die Vermittlung von Medienbildung werden Zukunftschancen von Jugendlichen verbaut. (Siehe auch Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, S. 20, 21.10.2011)
 
  • Das Lernen und Lehren mit verschiedenen Medien (Text, Bild, Ton, Film etc.) – funktional eingesetzt – verbessert die Unterrichtsqualität und sorgt für bessere Lernergebnisse. Neuere Forschungen sprechen gleichfalls für diese These. Dies gilt besonders für das Fach Geschichte, in dem historische Zusammenhänge sehr gut mithilfe von Schaubildern, Fotos, Filmen veranschaulicht und nachhaltiger im Gedächtnis verankert werden können.
 
  • Überfrachtung mit Bildmaterial – so die Erfahrung – kann allerdings durchaus auch kontraproduktiv sein. Entscheidend sind die Funktionalität und die richtige „Dosierung“ des Medieneinsatzes.
 
  • Erfahrungen zeigen, dass der anfänglich Umgang mit dem Computer als Schreibwerkzeug Schülerinnen und Schüler animieren kann, sich weitere Einsatzmöglichkeiten des Computers anzueignen und ihre individuellen Talente zu entwickeln: Schüler und Schülerinnen bloggen das Geschichtsheft und verbinden den „Pflichteintrag“ im Blog/Heft mit individuellen Nachforschungen und Ergänzungen. Sie konstruieren ihren eigenen Blog, wie ein eigenes „Schulbuch“ oder besser individuelles Schulheft. Oder Schülerinnen und Schüler produzieren einen Film in Anlehnung an den Unterrichtsstoff: „Das KZ Leonberg“. (Eingabe in die Suche auf You Tube)
 
  • Medienkompetenzen wie die Formatierung von Texten, die Bildbearbeitung, das Hochladen von Dateien auf Server und die Kommunikation über das Netz etc. ergeben sich quasi nebenbei.
 
  • Das Fach Geschichte mit der Vielzahl der thematischen Bezüge auch im lokalen und regionalen Bereich eignet sich nicht nur für computergestützten Unterricht im Schulalltag, sondern gerade auch für aktive Medienarbeit in Anlehnung an den Unterricht (Interviews, Blogs, Video, Wiki, sprechende Bilder etc.).

 

Zusammenfassend sprechen – bei richtigem Einsatz –  vier Argumente für den computergestützten Unterricht:

  1. a)     Bessere Motivation und bessere Lernergebnisse im jeweiligen Fach
  2. b)     Bessere Veranschaulichung des Lehrstoffes und damit bessere Gedächtnisleistung
  3. c)     Erwerb von Medienkompetenz u.a. durch den informellen Austausch von Kenntnissen unter den Schülern und Schülerinnen sowie die Anregung zu konstruktivistischen Lernansätzen
  4. d)     Bessere Vorbereitung auf die Anforderungen im späteren Berufsleben

 

Bei allen vermeintlichen und tatsächlichen Vorzügen des computergestützten Lernens und Lehrens – sei es im Fach Geschichte oder anderen Fächern – muss der Übergang zu digitalem Lernen und Lehren systematisch angelegt und durchdacht sowie jeweils funktional sein. Der Einsatz des Computers im Unterricht darf nicht zu einer ziellosen Suche nach Materialen im Internet verkommen. Mehr spricht dafür, die Laptops der Schülerinnen und Schüler mit den multimedialen Materialien zu bestücken und das Internet ergänzend beispielsweise zur Kommunikation einzusetzen. Es ist eindeutig, dass die Möglichkeiten computergestützten Lernens und des Einsatzes digitaler Medien vom Unterrichtsfach abhängen und im Fach Geschichte eine größere Rolle spielen können und bereits spielen als in anderen Fächern.

 

Wir befinden uns unausweichlich auf dem Weg in den digitalen Schulalltag. Der Weg ist ziemlich steinig und voller Hindernisse. Rahmenbedingungen müssen verändert werden: Medienbildung, d.h. auch der Einsatz von Computern im Unterricht muss in der Lehrerausbildung verbindlicher, abprüfbarer Bestandteil werden sowie verstärkt Einzug in die Lehrerfortbildung halten. Die Politik muss die Mittel für die Ausstattung der Schulen (strukturierte Verkabelung der Schulen, Laptops für die Lernenden etc.) und technisches Personal finanzieren und sich nicht mithilfe von Scheinargumenten, wie die ständig bemühten Gefahren des Internets, um die Finanzierung drücken. Der Übergang ins digitale Schulzeitalter ist überfällig.

Natürlich ist dieser Übergang mit manchen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten verbunden. Und natürlich kostet das Geld – viel Geld. In Anbetracht der Konkurrenz vor allem aus den USA und Asien dürfte uns die momentane Hinhaltetaktik und Unentschlossenheit der Politik noch teurer zu stehen kommen.

 

 

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Foto: flickr/The University of Iowa Libraries