Wie sieht Schule in 10 Jahren aus? Wird Schule durch IT besser? Und sind OER-Materialien Unterrichtsmaterialien 2. Klasse? Bildungsbloggerin Melanie Unbekannt besuchte die DigiLern, einen deutschlandweiten Kongress zum Thema “Lernen mit digitalen Medien”, der nach den zukünftigen Herausforderungen für Schule und Unterricht fragte. Für werkstatt.bpb.de berichtet sie von ihren persönlichen Eindrücken und nimmt Stellung zu den aufgeworfenen Themen und Fragen der Tagung.

 

Anfang März fand in München die DigiLern, eine Konferenz, die sich mit dem Umbruch des Lernens in der Schule befasst, statt. Hier trafen sich Lehrerinnen, Medienpädagogen, Didaktikerinnen und Lernsoftwareanbieter, um sich über neue Formen des Lernens und Unterrichtens auszutauschen. Schon im Vorfeld der Konferenz hatte man die Chance, spannende Projekte einzureichen, über die man mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sprechen konnte. Ich werde euch nachfolgend ein paar der Sessions, die ich besuchte, hier vorstellen. Ich hoffe, dass danach die interessierten Leserinnen und Leser und Lehrerinnen und Lehrer etwas für sich mitnehmen und im Unterricht umsetzen.

 

Das Brauch-Wiki

Meine erste Session gestaltete Michael Jordan von der Universität Augsburg. Er stellte das Brauch-Wiki vor. Es ist im Rahmen des Studiengangs Volkskunde entstanden. Dieses Wiki auf Basis von MediaWiki ist öffentlich zugänglich. Ziel ist es “forschendes Lernen zu ermöglichen” und auch die neue Lernkultur in der Schule zu etablieren. Sein Wissen mit anderen zu teilen und so aufzubereiten, dass andere auch Spaß daran haben sich mit einem Thema zu befassen oder sich dafür zu begeistern, ist eine Idee dieses Projektes. Bräuche werden als Motivation genutzt, viele Nationen sind in einer Klasse und man kann so auch ein Verständnis für die vielen Kulturen entwickeln und eben auch Interessantes entdecken. Mich hat u.a.”Dr. Brauch” begeistert. Er ist der Hilfe-Guide durch das Brauch-Wiki. Es gibt wohl auch eine Brauch-Ampel, die den Status des Artikels angibt.

 

Tablet versus Whiteboard

Eine nächste Session war wie folgt betitelt: “Tablet vs. Whiteboard”. Josef Kutzelmann wollte mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die jeweiligen Vor- und Nachteile erörtern. Vor allem war wichtig, dass geniale Tafelbilder abgespeichert und auch Ergebnisse besser gesichert werden können. Einen richtigen Mehrwert bot sich mir nicht, da einige der Teilnehmenden eine Grundsatzdiskussion eröffneten, ob man nun Apple Produkte nutzt oder nicht und wer denn die Kosten der Geräte zahlt. Schade, dass der Leiter der Session sich da so in den Bann mit hat hineinziehen lassen.

 

Schule im Jahr 2022

Nach einer entspannten Kaffeepause gab es eine interessante Podiumsdiskussion mit Politikerinnen und Politikern der örtlichen Fraktionen, Elternvertreterinnen und -vertretern, Lehrenden und Schülerinnen und Schülern. Diese wurde auch von Lutz Berger aufgezeichnet. Thema der Diskussion war: Was wird die Schule in den nächsten zehn Jahren verändern? Es wurde ein Beispiel vorgegeben: 

 

Ayshe Eschenbach, Teenager, lebt in einer ländlichen Gegend und wie sieht ihr Schulalltag im Jahre 2022 aus?

 

Nun durften sich alle Podiumsteilnehmenden äußern und ihre Vermutungen anstellen. Ein Lehrer des Ottobrunn Gymnasiums meinte, es werden zukunftsweisende Schlüsselkompetenzen vermittelt. Medienkompetenz ist dabei ganz weit vorn und die Rahmenlehrpläne sind aufgeweicht. Markus Blume, CSU Politiker, sagte in 10 Jahren sind alle Medien integriert und solche Konferenzen wie diese wären dann verzichtbar. Ein Politiker der Grünen äußerte sich wie folgt: Schulen sind offen für technische Entwicklungen. Eine junge Politikerin der FDP, ca. Anfang 30, behauptet, dass Ayshe aufgeregt ist, fährt mit dem Bus zur Schule, hat einen Vortrag über Gletscherschmelze mit einer Skypekonferenz, hat Wissenschaftler dazu eingeladen und holt diese so in den Klassenraum. Ein Elternvertreter meinte, dass die Schülerinnen und Schüler an mobilen Lernplätzen lernen, Schule ist nicht mehr das Zentrum, ähnlich wie beim Co-Working wird es dann Co-Lernen geben.

 

Hier stellen sich mir die Fragen:

– was passiert mit der Schulpflicht? oder

– welche pädagogischen Wissensvermittlungsmethoden wird es geben?

– Wie wird das Gelernte abgeprüft?

– Wird es noch Noten im herkömmlichen Sinne geben?

– Kann man Leistungen dann überhaupt noch mit unseren heutigen Kriterien bewerten?

 

Open Educational Resources (OER)

Schnell kam man in der Runde auf die OER-Materialien, welche von Lehrerenden und Schülerinnen, Schülern entwickelt werden. Hier wurde debattiert, dass die Qualität der Materialien angezweifelt wird und auch die Urheberrechtsfrage wurde erörtert. Es hieß, es entstünde dann Unterrichtsmaterial der 1. und 2. Klasse. Material der 1.Klasse käme von den Schulbuchverlagen. Diese werden mit Geld bezahlt und seien daher besser. Materialien der 2. Klasse, entwickelt von Lehrerenden und Jugendlichen, ist gratis und somit angeblich schlechter, weil man sich weniger Mühe gäbe und die Leistung würde nicht entsprechend honoriert werden. Meine Frage: Stimmt das? – Ich glaube nicht, solche Materialien können kollaborativ besser fortentwickelt werden, sind möglicherweise sogar besser als das Verlagsmaterial, weil die allgemein sind und weg vom Alltag der Schulwelt.

 

Digitale Medien & Wissensmanagement

Am Freitag und Samstag fand dann die eigentliche Konferenz statt. Lehrerende, Dozentinnen und Dozenten stellten ihre Best-Practice Beispiele vor. Doch zunächst wurden die Tage mit spannenden Keynotes eröfffnet. Gabi Reinmann hielt am Morgen eine Keynote zum Thema “Ich bin nicht im Netz” – Mediengestützte Wissensprozesse bei Lehrenden und deren Bedeutung für guten Unterricht. In ihrem einführenden Vortrag sagte sie, dass der Lehrende erst mal selbst die digitalen Medien erfahren und eigene Lernprozesse entdecken soll. Laut einer Studie der Initiative D21 im Dezember 2011 gibt es sechs Medien-Nutzertypen:

 

– Gelegenheitsnutzer

– Berufsnutzer

– Trendnutzer

– digitale Profis

– Digitale Avantgarde


Ebenfalls äußerte sie, dass Lehrerinnen und Lehrer “Wissensarbeiter und Wissensarbeiterinnen” sind – sie vermitteln Wissen, erarbeiten Wissen mit Schülerinnen und Schülern, ergo beginnt Wissensmanagement schon in der Schule und wird dann im Unternehmen fortgesetzt. Das Problem ist, nur wenige veröffentlichen eigene Lehrmaterialien, kommentieren in sozialen Netzwerken oder schreiben Einträge in Wikis ein. Welchen Einfluss der Einsatz der Medien auf Wissensprozesse auf den Unterricht hat oder welche Wissenskultur aus der Mediennutzung entsteht, ist noch nicht geklärt. Aber man hat versucht, Wissenstypen zu erstellen. Ich denke, man kann sich nicht wirklich einem Typen zuordnen, alle haben etwas für sich.

 

Die zweite Keynote hielt der Schuldirektor Achim Lebert mit der Überschrift “Wird Schule durch IT besser?” Er begann seinen Vortrag mit vielen Fragen.

 

– Werden Klassen durch IT besser?

– Was bewirken Notebooks?

– Warum bewirken technische Medien einen besseren Lernprozess?

– Was wird aktiviert?

– Warum ist Lernen dadurch nachhaltiger?

– Passt das jetzige Schulsystem noch in die heutige Zeit?

 

Er schaut einmal über den Tellerrand auf einen der sieben Kontinente. Australien ist ein Vorreiter – IT ist dort in das Curriculum integriert. Da wird nicht mehr diskutiert, ob man IT nutzt oder nicht. Jedoch ergeben sich daraus auch Konsequenzen. Es heißt, man lernt schneller, mehr und kürzer – ob das so gut ist für die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden? Die Schülerinnen und Schüler können immer und überall lernen, sind online – wie wird soziales Lernen noch gewährleistet im digitalen Zeitalter – wo finden sie Reibungspunkte und echte / wahre Freundschaften? Wie sollen Projekte bewertet werden? Was sollte noch im Curriculum/ Lehrplan stehen?

 

Auch wenn er viele Fragen stellt, so gibt er auch stichhaltige Antworten. Die Anregungen sind wichtig, die er gibt. Schließlich haben die Lehrerenden eine große Verantwortung. Diese Verantwortung schließt aber eben auch die Nutzung und Anwendung der Neuen Medien mit ein. Er meint die Jugendlichen, die im Unterricht verloren werden, sind die Sozialkosten der Zukunft – ergo ist eine Investition in die Bildung auch eine Investition in die Zukunft der Wirtschaft. Digitale Medien öffnen den Klassenraum, fördern den Austausch mit Expertinnen und Experten, fördern Interessen und Talente der Jugendlichen. Daraus folgt eine gesteigerte Motivation durch mehr Lernanreize. Seine Quintessenz war: es muss Marketing für das Lernen betrieben werden, hab ich auch schon immer gesagt – Lehramtsstudierende sollten auch ein paar Marketingseminare besuchen, denn Wissen vermitteln ist wie Werbung für Produkte machen – Schülerinnen und Schüler sollten/ müssen begeistert werden den Lernstoff “kaufen” bzw verinnerlichen zu wollen.

 

Ich nehme auf jeden Fall mit, dass es viele motivierte Lehrerinnen und Lehrer gibt, die die neuen Medien integrieren möchten, aber auch durch Gesetzgebungen und Kultusministerien ausgebremst werden. Man sollte sich immer vor Augen halten, zu welchem Zweck setze ich ein Medium im Unterricht ein, um das Verstehen zu erleichtern. Was man generell sagen kann, die Web 2.0-Tools unterstützen auf jeden Fall einen interaktiven und kommunikativeren Unterricht, der sich der Welt nach außen öffnet. So bleibt Gelerntes nicht mehr nur in den vier Wänden des Klassenraums, sondern kann auch nach außen getragen werden. 

 
Auf literatenmelu.de berichtete Melanie Unbekannt ebenfalls über die DigiLern.