Was ist mit Blick auf die bildungspolitische Debatte in Deutschland das Fazit aus den LernLabs des SpeedLab “Lehrer 2.0”, welche Handlungsstrategien können Lehrerinnen und Lehrer vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der zunehmend heterogener werdenden Gesellschaft mitnehmen? Welche Methoden können im Unterricht angewandt werden, um die Jugendlichen erfolgreich zum Lernen zu animieren? Das folgende Video zur Veranstaltung fasst noch einmal zentrale Aussagen der Input-Vorträge, Eindrücke aus den LernLabs sowie Statements der Podiumsteilnehmer und -teilnehmerinnen zusammen.

 

SpeedLab Hamburg from kooperative-berlin on Vimeo.

 

Nach den einführenden Input-Referaten von Prof. Dr. Peter Struck, Erziehungswissenschaftliches Institut der Universität Hamburg, zum Thema “Multikompetent – Vom Wandel des Lehrerberufs” und Marion Federl von der norwegischen National Digital Learning Arena (NDLA) über “Creative Common Education – Unterrichtsmaterial digital und umsonst” konzentrierten sich die einzelnen LernLabs auf mehrere Teilaspekte des Lehrberufs. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchliefen nacheinander alle LernLabs, in denen kurze inhaltliche Einführungen der Referierenden die Grundlage für anschließende Diskussionen boten. 

 

Ist ein Arbeitsblatt für den Schulunterricht geistiges Eigentum? Ist die Arbeit des Erstellers oder der Erstellerin eine schützenswerte kreative Leistung? Kontrovers diskutiert wurde im LernLab Quellen des Wissens die Frage nach dem Urheberrecht im Zusammenhang mit neuen Möglichkeiten der Unterrichtsvorbereitung. Im Gegensatz zu dem landesweiten norwegischen Beispiel des Creative Common Education Projekts NDLA, bei dem alle Materialien dauerhaft frei verfügbar und veränderbar sind, verschließen sich die Schulbuchverlage in Deutschland mit dem Verweis auf das Urheberrecht ähnlichen Projekten, in denen Inhalte unter Creative Commons-Lizenz stehen. 

 

Die neue Initiative der Digitalen Schulbücher, die aus einem Zusammenschluss mehrerer Verlage hervorgeht und bei dem Schulmaterial online zur Verfügung gestellt wird, geht hier kaum einen Schritt weiter. Unabhängig von den Verlagen gibt es auch in Deutschland bereits Initiativen für Open Source Projekte: segu – selbstgesteuert entwickelnder Geschichtsunterricht ist eine Initiative der Universität Köln und eine Lernplattform für offenen Geschichtsunterricht, auf der alle Lernmaterialien unter Creative Commons-Lizenz stehen. Jedoch auch einige Lehrende sehen die Entwicklung von Open Resource Projekten kritisch und fühlen sich sogar überfordert. Eine der Thesen dieses LernLabs war: “Es ist nicht Aufgabe der Lehrerenden, Material zu erstellen und online zur Verfügung zu stellen.” Zudem zeigten sich einige Teilnehmenden unsicher, ob die eigens erstellten Materialien die Qualität besitzen, um der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt zu werden.

 

Lehren neu Lernen – wie sinnvoll sind Noten und fachliche Kompetenz? Der Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass die Notengebung in anderen Ländern häufig erst in den älteren Jahrgängen, in Deutschland jedoch meist schon in der zweiten Klasse beginnt. Weiterhin steht auch der Frontalunterricht in der Kritik, da er erwiesenermaßen die am wenigsten ergiebige Lernorganisationsform darstellt. Erst ein offener Unterricht biete Raum für den Einsatz digitaler Formate, die ein individuelles Lernen möglich machen. Kollaboratives und projektorientiertes Arbeiten fördere die Kreativität und die Motivation der Schülerinnen und Schüler, etwas zu lernen, so die allgemein vertretene These.

 

Die neue Aufgabe der Lehrenden sei die Schaffung eines Orientierungsrahmens, der die Jugendlichen unterstütze und durch den sie das Lernen selbst erlernen. Ziel ist ein neugieriges und konstruktives Verstehen. Dazu bedarf es allerdings den Mut, alte Strukturen zu ignorieren, so die Meinung praxiserfahrener Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Und wie können alle Schülerinnen und Schüler in diesem neuen System gerecht gefördert werden? Projektarbeit fördere die starken und überfordere die schwächeren Schülerinnen und Schüler, so eine weitere These der Lernlab-Teilnehmenden. Zudem werde oft die Kernkompetenz vergessen, nämlich die Fähigkeit, den sozialen Kontakt zu Jugendlichen herzustellen.

 

Die Gesellschaft wird immer heterogener, was sich auch in den Schulklassen abbildet. In der Ausbildung zum Lehrer, zur Lehrerin schlage sich die heterogene Struktur eher weniger nieder. Aufgrund des schlechten Prestiges in den Herkunftsländern entscheiden sich nur wenig Migrantinnen und Migranten für den Lehrerberuf, ist eine der Thesen des LernLabs. Das Projekt Schülercampus “Mehr Migranten werden Lehrer”, eine Initiative der ZEIT-Stiftung Ebelin und Bernd Bucerius möchte Schülerinnen und Schüler motivieren, den Lehrerberuf zu ergreifen und bietet ihnen Einblicke in die Aufgaben und Karrierechancen. 

 

Netzwerker, Einzelkämpfer, Manager – Tatsächlich finde nur wenig Austausch zwischen den Lehrenden statt und viele seien mit den Anforderungen und Problemen des Schulalltags sich selbst überlassen – Einzelkämpfer im Alltag deutscher Schulen. Wieso tauschen sich Lehrerinnen und Lehrer nach der Arbeit nicht aus, und welche Möglichkeiten gibt es, sich gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen? Eine der Thesen des LernLabs ist, dass Lehrende Angst haben vor Feedback und Teamarbeit. Aus Unsicherheit vor der Effektivität der eigenen Arbeit, bleibe der Austausch über den Unterricht aus. Um die Kooperation zwischen Lehrerinnen und Lehrern zu verbessern und eine gemeinsame Feedback-Kultur zu fördern, müsse mehr zu gemeinsamen Projekten motiviert werden.

 

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel der Länder und Kommunen für Schulen, gibt es zunehmend schulexterne Projekte wie zum Beispiel “Dialog macht Schule” oder das Programm “Teach First”. Beide Projekte zielen auf die Unterstützung lernschwächerer Schülerinnen und Schüler und die Umsetzung individueller Bedürfnisse durch externes und fachfremdes Personal – Crossover. Lernen finde auch ohne die Lehrerinnen und Lehrer statt und das Lehren könne durch Praxis auch schnell von fachfremden Personal erlernt werden, so die These der Workshop-Referentinnen. Was als Unterstützung für die Lehrenden gedacht ist, führt jedoch zu neuen Fragen: Welche Rolle spielt dann zukünftig noch der Lehrer, die Lehrerin? Und wer hat die Kompetenz über die Notengebung?

 

Auf dem abschließenden Podium wird deutlich: Norwegen ist Deutschland nicht nur hinsichtlich offen zugänglicher Unterrichtsmaterialien voraus: Die Schülerinnen und Schüler in Norwegen sind nicht nur dauerhaft online, alle Schulen stellen den Jugendlichen mit der Einschulung zudem auch einen Laptop bereit. Auf die Frage, ob die Lernenden nicht zu abgelenkt seien, argumentiert Marion Federl, dass sie in diesem Falle nur wieder in den Unterrichtskontext zurückgeholt werden müssen, das sei zwar anstrengend aber effektiv für die Jugendlichen. In Deutschland sind sogenannte Laptop-Klassen eher noch die Ausnahme, obwohl es inzwischen schon günstige Leasingmodelle für Laptops gebe, so Henry Tesch, der am Carolinum Neustrelitz schon vielfach Medienprojekte durchgeführt hat. Ausschlaggebend sei aber nicht die finanzielle Ausstattung der Schulen sondern die Motivation der Lehrenden für das Ausprobieren innovativer Ansätze. Miteinander ins Gespräch kommen und Anreize für neue Denkweisen und Strukturen schaffen, waren auch Ziele des werkstatt.bpb-Speedlabs “Lehrer 2.0”. An offen gebliebene Fragen knüpfen wir in den kommenden Speedlabs an.