Die Einrichtungen der historisch-politischen Bildung, die sich mit der pädagogischen Vermittlung der Lebensgeschichte von Anne Frank beschäftigen, sind bekannt für den innovativen Einsatz neuer Medien. Als Ergänzung zu den bestehenden Angeboten hat das Anne Frank Haus in Amsterdam nun gemeinsam mit seinen Partnern in Berlin und Frankfurt auch Unterrichtsmaterial für interaktive Whiteboards entwickelt.

 

Die Verantwortlichen umreißen ihr Material in einer Handreichung für Multiplikatoren so: “Es eignet sich für den Geschichts-, Sach-, Deutsch-, Religions- oder Ethikunterricht der Klassen 5 und 6 und soll Sie als Lehrkraft dabei unterstützen, in Anne Franks Lebensgeschichte einzuführen und diese historisch zu kontextualisieren. Idealerweise ist die Arbeit mit dem Material Teil der Vorbereitung eines Ausstellungsbesuchs.” 

 

Das in einer Datei enthaltene Unterrichtsmaterial besteht aus drei Aktivitäten. Der Einsatz eines interaktiven Whiteboard ist nicht zwingend, die Aufgaben lassen sich auch am Computer bearbeiten und via Beamer projizieren. Darüber hinaus sind Bilder und Bildunterschriften als Kopiervorlage verfügbar. Die Aktivitäten können zwar separat angesteuert werden, die sequenzielle Abfolge erscheint aber sinnvoll. Insofern startet das Angebot mit einer Mindmap, die das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die Themen “Zweiter Weltkrieg” und “Anne Frank” eruiert. Wird dieser Arbeitsauftrag im Unterricht am interaktiven Whiteboard erledigt, ergibt sich das Problem, dass der Platz recht begrenzt ist und geradezu nach einem Medienwechsel verlangt: An einer normalen Tafel wäre diese Aufgabe vermutlich flexibler zu handhaben.

 

Die zweite Aktivität fokussiert einen Kurzfilm über Anne Franks Leben. Als erstes werden jedoch fünf Fotografien zu ihrer Geschichte gezeigt, die nach der Rezeption des Films dann in eine chronologische Reihenfolge gebracht werden sollen. Die Fotografien können angeklickt werden, dadurch werden sie vergrößert und eine informative Bildunterschrift wird sichtbar. Was aus der Perspektive der “Generation YouTube” verwundert, ist, dass der Film keinen Zeitindex hat und weder angehalten noch vor- oder zurückgespult werden kann. Diese Funktionen könnten unter Umständen zur Lösung der Aufgabe hilfreich sein. Die Überprüfung, ob die richtige Reihenfolge ermittelt wurde, erfolgt automatisch. Dies ist einerseits ein interessantes Angebot technischer Interaktivität, andererseits ermöglicht es jedoch einen spielerischen Zugang, der eventuell die biografische Perspektive und den beabsichtigten Lernerfolg relativiert. 

 

Die darauf folgende dritte Aktivität einer “Zeitleiste” bedient sich der gleichen Vorgehensweise der interaktiven Anordnung von Fotografien und weitet sie inhaltlich auf den Kontext Nationalsozialismus und Holocaust aus. Im Ergebnis wird dabei die Lebensgeschichte Anne Franks mit der Ereignisgeschichte auf instruktive Weise abgeglichen.

Der Schlussbildschirm öffnet die Anwendung hin zu den einschlägigen Online-Angeboten der Anne-Frank-Stiftung: “Das Hinterhaus Online” und “Die Anne Frank Zeitleiste” sind interaktive Websites, die technisch aufwändig und inhaltlich informativ individuelle Explorationen ermöglichen. Insofern erscheint die Anwendung vor allem als Portal für die Off- und Online-Angebote aus den Bildungseinrichtungen geeignet. Schließlich stellt sich vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklungen die Frage, ob Anwendungen für interaktive Whiteboards nicht eher einen vorübergehenden Kompromiss darstellen, der von Online-Anwendungen einerseits und Tablet-Computing andererseits abgelöst werden wird.

 

(Der Autor konnte die Anwendung an einem interaktiven Whiteboard ausprobieren und dankt Marc Fritzsche vom Institut für Kunstpädagogik der Justus-Liebig-Universität Gießen für Einführung und Kommentare.)

 

Foto: flickr/Andrew Lament