Die Möglichkeit, Inhalte und Lernziele im Schulkontext selbst zu bestimmen, erhöht Motivation und Eigeninitiative Lernender. Das Projekt “Schule plus” bietet Schülerinnen und Schülern Beteiligungsmöglichkeiten außerhalb des Unterrichts. Wesentlicher Bestandteil ist die freiwillige Basis, die Jugendliche fernab vom Leistungsdruck im Unterricht motivieren soll. Werkstatt.bpb.de sprach mit Petra Jurkowitsch, Programmleiterin des Projekts bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. 

 

Redaktion: Was ist “SCHULE plus”?

 

Petra Jurkowitsch: SCHULE plus ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und der RAA Mecklenburg-Vorpommern in Kooperation mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern, gefördert aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Im Programm werden Lernprojekte gefördert, die außerhalb des Unterrichts an Schulen stattfinden. Das Tolle dabei ist: Die Teilnahme ist freiwillig und Noten gibt es nicht. Mitmachen können Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern ab der fünften Klasse.

Es können Projekte in verschiedenen Themenbereichen umgesetzt werden: Naturwissenschaft und Technik, Ökonomie, Neue Medien, Umweltbildung, Jugend forscht, Fremdsprachen und Gesellschaft. 

 

Redaktion: Welches pädagogische Konzept liegt “SCHULE plus” zugrunde und was ist die Intention des Projekts?

 

Petra Jurkowitsch: SCHULE plus-Projekte wenden die Didaktik des Projektlernens an und entsprechen dem oben beschriebenen Anliegen des Programms. Mit dieser Methode befähigen wir Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen, forschenden Lernen und unterstützen den Kompetenzerwerb – insbesondere den Erwerb von Schlüsselkompetenzen. Die Kinder und Jugendlichen werden möglichst früh an der Planung und Erarbeitung der zusätzlichen schulergänzenden Angebote beteiligt.

 

Redaktion: Wie ist die Resonanz der Schülerinnen und Schüler auf das Angebot? 

 

Petra Jurkowitsch: In jedem Schuljahr sind ca. 2.500 Schülerinnen und Schüler in ganz Mecklenburg-Vorpommern in über 300 SCHULE plus-Projekten aktiv. Kinder und Jugendliche freuen sich auf die Projektarbeit, sind mit Begeisterung dabei und präsentieren am Ende stolz ihre erarbeiteten Ergebnisse. 

 

Redaktion: Welche Projekte wurden im Rahmen von “SCHULE plus” bereits initiiert/umgesetzt? 

 

Petra Jurkowitsch: Ein wesentliches Charakteristikum des Programms SCHULE plus ist die große Projektvielfalt. Beispielsweise haben im Projekt “Wirtschaft und Umwelt” Schülerinnen und Schüler der siebten Klassen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Wismar ihren heimatlichen Raum unter ökologischem und wissenschaftlichem Aspekt untersucht. Insbesondere ging es den Projektteilnehmenden darum, wie der CO2-Ausstoß an der eigenen Schule verringert werden kann. Die Mädchen und Jungen haben die Transportwege von Lebensmitteln untersucht und eine “Top-Liste der 20 sinnlosen Transportwege” erstellt. “Nach unserer, wie auch der Ansicht von Greenpeace haben Äpfel aus Neuseeland, Tomaten aus Kanada, Pflaumen aus Chile, Bio-Birnen aus Argentinien und Butter aus Irland eines gemeinsam: Alle diese Produkte werden auch in Deutschland hergestellt”, lautet eine wichtige Erkenntnis der Projektgruppe. Schülerinnen und Schüler plädieren dafür, bei der Kaufentscheidung auch die Transportwege der Lebensmittel zu berücksichtigen. Projektteilnehmende haben darüber hinaus den CO2-Ausstoß an der eigenen Schule sowie im eigenen Klassenzimmer erfasst und Ideen entwickelt, wie dieser gesenkt werden kann. Die Jugendlichen erarbeiteten eine Präsentation, mit der sie sich sogar beim BundesUmweltWettbewerb (BUW) bewarben. 

Eine besondere Rolle spielen Projekte, die im Bereich “Jugend forscht” gefördert werden. Diese Projekte planen, sich am Landeswettbewerb “Jugend forscht” zu beteiligen. Einige Ideen schaffen es dann, sich für den Bundeswettbewerb zu qualifizieren. Das Team der Regionalschule Waren/West hat zum Beispiel im Projekt “Das richtige Fahrrad für den Nationalpark” untersucht, welche der vorhanden Radwege im Nationalpark Müritz für welche Fahrradtypen besonders geeignet sind. Weil sie bei einer Befragung der Urlauber festgestellt haben, dass die vorhandenen Hinweise als nicht ausreichend empfunden werden, haben die Projektteilnehmenden ihre Ergebnisse in einem “Zusatzblatt für den nicht ganz gewöhnlichen Fahrradtouristen” veröffentlicht. Dort finden die Gäste des Nationalparks Tourenvorschläge und wertvolle Tipps, die ihren Aufenthalt in der Touristenregion erleichtern sollen. Die Gruppe denkt darüber nach, den Flyer künftig weiter auszubauen, so dass für jede Gruppe eine eigene Broschüre entsteht, die auf die jeweiligen Bedürfnisse eingeht. Das Projekt nahm 2011 beim Landeswettbewerb “Jugend forscht” in Schwerin teil und belegte dort in der Kategorie “Schüler experimentieren” den dritten Platz.

 

Redaktion: Knüpfen die Projekte an die Fachbereiche des Unterrichts an?

 

Petra Jurkowitsch: Die Projekte gehen immer über den Unterricht hinaus, sind also ergänzend zum Unterricht. Dennoch greifen Schülerinnen und Schüler in SCHULE plus-Projekten auch konkret auf das im Unterricht erworbene Wissen in einzelnen Fachbereichen zurück, beispielsweise auf ihre Fremdsprachenkenntnisse, auf Biologie oder auf Mathematik, um nur einige Fächer zu nennen. Vom praktischen Wissenserwerb durch die Projektarbeit profitieren die Schülerinnen und Schüler daher wiederum auch im Unterricht. 

Besonders nachgefragt sind Projekte im Bereich “Neue Medien”. Hierbei können beispielsweise eigene Webseiten für die Schulhomepage erstellt oder eigene Film- und Musikproduktionen umgesetzt werden.

 

Redaktion: Welche (finanziellen) Grenzen sind den Schüler/innen bei der Projektentwicklung gesetzt? 

 

Petra Jurkowitsch: Bei SCHULE plus gibt es einen klaren Rahmen: Die Projekte müssen im Sinne des Projektlernens umgesetzt werden sowie in die Projektbereiche passen. Wenn Projekte als Kurse mit Frontalunterricht geplant werden oder die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler zu gering ausfällt, passt dies nicht zur Idee von SCHULE plus. Die Projekte werden von erwachsenen Kräften begleitet. Das können Lehrerinnen und Lehrer sein, oder Expertinnen und Experten, die von außerhalb in die Schulen kommen. Das Honorar dafür stellt SCHULE plus. 

 

Redaktion: Inwiefern unterscheidet sich die Motivation der Schülerinnen und Schüler für das Lernen in “SCHULE plus”-Projekten gegenüber dem Lernen im Unterricht?

 

Petra Jurkowitsch: Die Teilnahme an den Projekten bei SCHULE plus ist freiwillig, und die Schülerinnen und Schüler bekommen dafür keine Noten. Die Projektarbeit macht in erster Linie Spaß, denn sie orientiert sich an der Lebenswelt und den Interessen der Schülerinnen und Schüler und weckt ihre Neugier – Grundvoraussetzungen dafür, dass junge Menschen motiviert sind und eigeninitiativ lernen. 

 

Redaktion: Wäre es denkbar, die Lernprojekte von “SCHULE plus” zukünftig auch als Bestandteil in den Unterricht zu integrieren und diese auch zu bewerten? 

 

Petra Jurkowitsch: Generell ist es denkbar, dass Projekte, die nach dem Prinzip des Projektlernens umgesetzt werden und die eine hohe Eigenbeteiligung der Schülerinnen und Schüler erfordern, auch im Unterricht umgesetzt werden. Für SCHULE plus jedoch gilt, dass die Projekte auf freiwilliger Basis stattfinden und keinem Leistungsdruck unterliegen. Dies würde verloren gehen, wenn SCHULE plus im Unterricht integriert würde, daher ist es besonders wichtig, dass es als ergänzendes Angebot bestehen bleibt. 

 

Redaktion: Wird es zukünftig mehr Möglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler geben, sich an der inhaltlichen Gestaltung des Unterrichts zu beteiligen? 

 

Petra Jurkowitsch: Es ist wünschenswert, dass Schülerinnen und Schüler mehr an der inhaltlichen Gestaltung des Unterrichts beteiligt werden und dies auch selbst einfordern. Lernen in Projekten bietet dazu einen guten Rahmen. Durch die Erfolge der Projektarbeit und die Freude der Kinder und Jugendlichen daran sehen auch beteiligte Lehrkräfte, wie viel man mit Projektlernen erreichen kann. 

 
 
Foto: Flickr/loop_oh