Was denken angehende Lehrerinnen und Lehrer über das Lehr- und Lernmaterial der Bundeszentrale für politische Bildung? Halten die Materialien den aktuell vermittelten Didaktiktheorien stand? Am 02. Februar 2012 diskutiert werkstatt.bpb.de am Friedrich-Meinicke-Institut der Freien Universität Berlin mit Studierenden aus dem Arbeitsbereich Didaktik der Geschichte über Stärken und Schwächen der Webseite Die Familie Chotzen.

 

Dr. Lars Deile leitet das Planungsseminar für Studierende im Fach Geschichte, in dem Grundlagen der Unterrichtsplanung vermittelt werden. “Oft müssen wir die Studierenden erst einmal frei machen von ihren eigenen Schulerfahrungen, um sie dann mit neuen Methoden und Ansätzen der Fachdidaktik vertraut zu machen.” Zum Ende des Semesters bietet sich hier die Möglichkeit, die Materialien von Werkstatt.bpb von frisch geschulten Augen und Ohren kritisch untersuchen zu lassen.

 

Die Webseite Chotzen.de erzählt mit anschaulichem Video- und Fotomaterial die Lebensgeschichte einer jüdischen Familie im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Das Seminar ist in zwei Phasen geteilt. Zu Beginn stehen die spontanen Eindrücke der Studierenden. Wie wirkt die Seite bei einer ersten Betrachtung? Wie finde ich mich zurecht, erschließt sich der Inhalt der Seite sofort oder ist der Inhalt zu komplex? Sind das Design und die Sprache schülergerecht? In der zweiten Phase planen die Studierenden eine konkrete Unterrichtseinheit mit einem vorgegebenen Lernziel. Dabei überlegen sie, wie sie die Seite sinnvoll einsetzen können, welche Funktionen hilfreich sind und aber auch, was die Seite nicht bietet, für den Einsatz im Unterricht aber sinnvoll wäre.

 

Der erste Eindruck der Gruppe bietet ein differenziertes Gesamtbild des Lehr- bzw. Lernmaterials. Die optische Aufmachung wird gelobt, auch die “Verknüpfung von politischen Ereignissen und deren Auswirkung auf das Leben der Familie Chotzen” sei sehr gut dargestellt. Es fehle aber der Bezug zum Thema Minderheit und die Struktur der Webseite sei für viele Schülerinnen und Schüler eher verwirrend. Einige Studierende empfinden die Vielfalt und Anzahl an der Quellen erschlagend und können in der Kürze der Zeit keinen zufriedenstellenden Überblick über den Umfang des Materials gewinnen. Zwischen der Fülle der Videos würden zusätzliche Textpassagen die Strukturierung der Informationen erleichtern. Die Zeitleiste sei ein gutes Instrument zur Strukturierung, sie erleichtere es, sich auf der Seite zurechtzufinden. 

 

In der Planungsphase der Unterrichtseinheit haben sich die Studierenden einen besseren Eindruck verschafft, wie sie die Seite in eine imaginäre Unterrichtsstunde einbinden würden. Aus ihrer Sicht könne die Seite in erster Linie als Recherchetool eingesetzt werden, indem Schülerinnen und Schüler allein, in Gruppen oder als Hausaufgabe zu gegebenen Fragestellungen Informationen erarbeiten könnten. Die Seite selbst biete leider “keine Beispiele für Arbeitsaufträge” oder mache weiterführende Fragen zur eigenen “Lernleistung” auf. In der Diskussion um den Einsatz kommen neben der inhaltlichen Kompatibilität auch die technischen Voraussetzungen vor. Leider sei die notwendige technische Ausstattung in Schulen für die Arbeit mit multimedialen Internetseiten noch keine Selbstverständlichkeit. 

 

In der abschließenden Diskussion werden gemeinsam Verbesserungsvorschläge gesammelt und ein Fazit gezogen. Die Webseite überzeuge durch inhaltliche Vielfalt und ein gelungenes Design. Sie sei insbesondere als “Materialfundus” zu begreifen. Vorgeschlagen wurde eine Verschlagwortung der Videos, die die Funktionalität der Seite erhöhen könne. Für den Einsatz im Unterricht eigne sie sich wegen der zeitaufwendigen Einarbeitung nicht in jedem Fall. Zu wünschen sei zudem ein Transfer der Lerninhalte, der die Interpretationsprozesse der Schülerinnen und Schüler anrege und eine Sinnbildung ermögliche.

 
Foto: Kooperative Berlin