Dass Lernen sich verändert hat und auch weiterhin stetig verändern wird, ist klar. Die Entwicklung neuer Medien rast – doch wie können all diese neuartigen Möglichkeiten aus dem Reich der Technik sinnvoll in den Unterricht integriert werden und Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zum eigenständig denkenden Menschen unterstützen? Dieser Frage widmen sich Gäste und Referenten im LernLab1. Thema: „Mobiles Lernen im vollautomatischen Klassenzimmer“. Wo Martin Lindner theoretisch erklärt und in die Zukunft denkt, bringen die Lehrer der iPad-Klasse Erfahrungsberichte aus der Praxis. Und die Gäste? Fragen nach, diskutieren, üben Kritik.

 

Selbstbestimmtes Lernen mithilfe digitaler Tools – die Theorie

 

Dass wir uns in einem Umbruch befinden, ist mittlerweile angekommen. Digitalisierung ist kein großes, unbekanntes, furchteinflößendes Monstrum mehr, sondern in den Alltag eingezogen, sie erleichtert so manche Arbeit, hilft bei der Organisation des Alltags. Smartphones auf Schulhöfen sind längst Normalität, doch wie sieht es innerhalb der Schulgebäude aus? Die Antwort ist so kurz wie ernüchternd: „Immer noch Kopierer.“

 

Bildungsberater Martin Lindner zufolge befinden wir uns aber gerade heute an einem Punkt, an dem selbstbestimmtes Lernen möglich wird. Während früher lediglich der Tintenkiller Schülerinnen und Schüler zu ein klein wenig Selbstbestimmung ermächtigt habe, würden heute – neuen Medien sei Dank – zahlreiche Möglichkeiten existieren, um freies, selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen.

 

Lindner nennt vier elementare Geräte: Das Tablet als Arbeitsgerät, Smartphones zur Mikrokommunikation, den E-Book-Reader als Schnittstelle zwischen alten und neuen Medien sowie den Livescribe-Pen, einen Stift, der Audioaufnahmen macht, während man mit ihm schreibt. Im Anschluss an den Unterricht oder eine Vorlesung kann auf diese Weise nachvollzogen werden, was zu welchem Stichpunkt gesagt worden ist. Zudem kann mithilfe dieser Geräte alles Gelernte nach dem Unterricht im Netz abgebildet werden.

 

Die iPad-Klasse – ein (Muster-)Beispiel aus der Praxis

 

Um Praxisbezug zu gewährleisten stellen Roman Deeken, Thomas Vieth und André Spang, allesamt Lehrer an der Kaiserin Augusta Schule Köln, ihr Projekt ,iPad-Klasse‘ vor. Seit knapp zwei Jahren arbeiten Lehrerinnen und Lehrer an der Kaiserin-Augusta Schule (KAS) mit 30 iPads, die in einem Wagen von Klasse zu Klasse transportiert und an Schülerinnen und Schüler verteilt werden können. Mithilfe dieser Tablet-PCs lösen Schülerinnen und Schüler im Unterricht selbstständig Aufgaben, erarbeiten Präsentationen, schreiben Lernhilfen und befüllen schuleigene Blogs sowie das Wiki der KAS.

 

Laut Roman Deeken schafft die neu gewonnene Mobilität nicht nur eine anregende und flexible Lernatmosphäre, sondern spornt die Lernenden darüber hinaus an, selbstverantwortlich zu arbeiten und zu produzieren. Kollaborative Lernsettings würden die Selbstorganisation der Schüler fördern. So werde beispielsweise das schuleigene Wiki fast ausschließlich von Schülerhand weiterentwickelt. Gleichzeitig verändere sich die Rolle des Lehrers – weg von der führenden hin zu einer moderierenden Funktion. Frontalunterricht könne auf diese Weise größtenteils vermieden werden, Lehrerinnen und Lehrern werde ermöglicht, flexibel auf einzelne Schülerinnen und Schüler einzugehen, das Lernen insgesamt würde individueller und konzeptorientiert gestaltbar.

 

Die Lehrer berichten von einem großen Interesse seitens der Schülerschaft. Mithilfe der iPads geschehe plötzlich vieles in vollkommener Eigenregie. Wenn ganze Klassen konzentriert mit den Tablets am Wiki arbeiten, habe er teilweise nicht mehr zu tun, als Klassenräume auf- und abzuschließen, weiß Deeken zu berichten.

 

Wie mobil ist ,mobiles Lernen‘ eigentlich?

 

Doch wo liegt der Mehrwert dieses vermeintlich mobilen Lernens? Ist Schule nicht erst dann mobil, wenn sie aus dem Schulgebäude heraus via Tablet oder Smartphone in den Bus oder die Natur getragen wird? Was ändert sich konkret für Lehrerinnen und Lehrer, welche Rahmenbedingungen sind förderlich und welche Möglichkeiten gibt es überhaupt? Vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des LernLabs ist anfangs der Gewinn, der durch den Einsatz von Tablets im Klassenzimmer entstehen soll, nicht ganz klar. Schließlich komme der erst dann zutage, wenn man mit den Geräten vor die Tür gehe und sich mit der Klasse beispielsweise auf eine virtuelle Exkursion begebe.

 

Für die Referenten ist dies allerdings nicht der entscheidende Punkt. Das ,Mobile‘ bestehe nicht in der Verlagerung des Lernens in andere (reale) Räume, sondern in der Annäherung der Technik an den Einzelnen sowie der Veränderung von Lern(inhalt)en. Der Lernbegriff verändere sich durch neue Medien stark und den Referierenden zufolge ist schon dieser verlagerte Lernprozess hinein ins Digitale an sich ein Mehrwert. Wichtig sei dabei vor allem ein neues Unterrichtssetting, das moderne Medien integriert und neuartige Arbeitsweisen unterstützt. Zusätzlich sollten Unterrichtsprozesse heute von vornherein so gedacht werden, dass man sie im Netz abbilden könne. Doch dazu brauche es erst einmal eine breite Basis an netzaffinen Lehrkräften.

 

…und wer soll das bezahlen?

 

Als Argument aus der Runde kommt immer wieder die (politische) Forderung nach finanzieller Unterstützung. Während sich in der Frage, ob Tablets in Schulen nützlich sein können, weitgehend alle einig sind, kommt immer wieder die Frage nach der Finanzierung auf. Die KAS sei in ihrer modernen Ausstattung ein Sonderfall, der lediglich die Regel bestätige: ,Man gibt an deutschen Schulen einfach immer noch lieber viel Geld für einen neuen Kopierer aus als für einen Satz Tablets-PCs.‘ Laut Referenten liegt das Problem jedoch nicht nur im Finanzierungsaspekt. Anders als gedacht, sei der Einsatz neuer Medien kein rein strukturelles Problem. Vielmehr hätten zu viele Lehrerinnen und Lehrer zu viel Angst vor dem Einsatz von iPad und Co. Aus diesem Grund werde sich in zahlreichen Lehrerzimmern gar nicht erst ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Auch sei vielen Lehrerinnen und Lehrern unklar, welche Kompetenz mit welchem Medium vermittelt werden kann. Es fehle vor allem an Weiterbildung und Kommunikation – mit der Anschaffung allein ist eben noch nichts gelernt!

 

 

(lyd)