Können außerschulische Lernorte mehr oder grundsätzlich anderes leisten als die Schule? Können sie schneller auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren? Wie sieht es zum Beispiel beim Thema „Migration und Digitalisierung“ aus? Wie reagieren Museen auf die steigende Zahl jugendlicher Besucher mit Migrationshintergrund? Und bestehen unsere Museen bald nur noch aus Touchscreens? Diesen und weiteren Fragen widmete sich das LernLab „Offroad“ im 1. SpeedLab des Projekts werkstatt.bpb.de.

 

Von „Zwangsbesuchern“ und „Häusern für alle“ – Zwei außerschulische Lernorte stellen sich vor

Input-Redner und Moderatoren des Lernlab „Offroad“ waren zwei Experten der außerschulischen Bildung: Dietmar Osses, Museumsleiter des Industriemuseums Zeche Hannover in Bochum und Sprecher des Arbeitskreises „Migration“ im Deutschen Museumsbund sowie Patrick Siegele vom Anne Frank Zentrum Berlin. Siegele stellte das Anne Frank Zentrum (eröffnet 1998) als modernen Ausstellungsort mit vergleichsweise kleiner Ausstellungsfläche, umfangreichem pädagogischen Rahmenprogramm und multimedialen Angeboten (u.a. Online-Ausstellungsrundgang in 3D, I-Guide-Stadtrundgang) vor; Osses präsentierte die Zeche Hannover (Museum seit 1995) als eher traditionellen Ort zur Vermittlung der lokalen Industrie- und Arbeitergeschichte. Das Thema „Migration“ ist an beiden Orten präsent, beide versuchen mit ihren Ausstellungen einen Bezug zur Lebenswelt der (jugendlichen) Besucher herzustellen. Migrationserfahrungen bilden dabei einen Schwerpunkt neben anderen Themen wie Zukunft, Träume, Ängste, Glück, Familie etc. Sowohl Osses als auch Siegele entwarfen ein sehr positives Bild ihrer jugendlichen „Zwangsbesucher“: Diese brächten multiperspektivische Zugänge und mehrdimensionale Identitäten sowie ein grundsätzliches Interesse für lokale Gegebenheiten, Belange ihrer peer group und das „Museumsobjekt zum Anfassen“ mit. Dass die Jugendlichen über herkunftsspezifische Geschichtsnarrative verfügen, hielt vor allem Siegele für „hinterfragenswürdig“. Osses machte zudem deutlich, dass die Jugendlichen mitunter als „Türöffner“ fungieren. Über sie ergebe sich zum Beispiel Kontakt zu ihren Eltern bzw. Großeltern, also den Gastarbeitern der 1. Generation, die das Museum eher als „weihevollen Ort“ und weniger als „Haus für alle“ sehen.

 

Freiheiten und Grenzen der außerschulischen Bildung

In den Diskussionen des Workshops ging es unter anderem um Vor- und Nachteile des außerschulischen Lernorts: Hier können die Schüler aus ihrer gewohnten Rolle schlüpfen, die Aufmerksamkeit der Jugendlichen an einem außerschulischen Lernort sei größer, die inhaltlichen und methodischen Freiheiten würden die des Schulbetriebs mit langfristig vorgegebenen Lehrplänen deutlich übersteigen. Andererseits, so machten die Input-Redner deutlich, ist die außerschulische Bildungsarbeit sehr auf die Vorarbeit des Lehrers angewiesen: Welche Vorkenntnisse bringt eine Schülergruppe mit? Welche Streit- und Gesprächskultur hat sie bereits entwickelt? Allzu große Freiheiten könne sich ein außerschulischer Lernort auch nicht erlauben: Die „Andockfähigkeit“ an das schulische Curriculum  müsse gewahrt bleiben und die Konzeption einer Museumsausstellung habe in der Regel einen langen Vorlauf. Die meisten Museen präsentierten Dauerausstellungen, die nur selten radikal umgestaltet würden. Grenzen ergäben sich auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit des außerschulisch Erlernten. Häufig fehlten Materialien zur Nachbereitung eines Museums-/ Ausstellungsbesuchs. Hier sah vor allem Dietmar Osses noch dringenden Handlungsbedarf.

 

Aus den SpeedLabs – Offroad from kooperative-berlin on Vimeo.

 

Lob des starren Objekts 

Eher am Rand wurde über den Einsatz digitaler Medien an außerschulischen Lernorten diskutiert. Patrick Siegele zeigte am Beispiel des Anne Frank Zentrums auf, wie das konventionelle Angebot des „Museums vor Ort“ durch Angebote wie Online-Rundgänge oder Whiteboard-Materialien zur Vor- und Nachbereitung des Museumsbesuchs ergänzt werden kann. Andererseits berichtete er, dass die Skepsis gegenüber digitalen Angeboten sowohl von Anbieter- als auch von Nutzerseite noch immer groß sei. Touchscreens oder I-Guides könnten das konkrete Anschauungsobjekt oder die lebendige Interaktion mit dem persönlichen Referenten nur unzureichend ersetzen. Ähnlich positionierte sich Dietmar Osses, der in der Begegnung mit dem starren Objekt ein wichtiges „Alleinstellungsmerkmal“ des Museums sah. Der Hauptnutzen digitaler Medien läge im Marketing. Die Ansprache junger Besucher erfolge maßgeblich über den Online-Auftritt des Museums.

 

Migration – ein weites Feld

Eine angeregte Diskussion entspann sich darüber hinaus über den Migrationsbegriff. Das Wort „Migration“ werde  meist im Zusammenhang mit „problembeladenen“ Einwanderungsprozessen verwendet, die Formulierung „Menschen mit Migrationshintergrund“ bezöge sich i.d.R. auf bildungsferne Muslime, so die Meinung der Workshop-Teilnehmer. Sie plädierten für ein erweitertes Verständnis der Begriffe, das Aus- und Binnenwanderungsprozesse sowie Einwanderer mit westlichen Wurzeln einschließt.

 

Ausblicke

Schließlich kam die Frage auf, ob und wie sich die „Migrationsgesellschaft“ im Personalschlüssel der Museen widerspiegle. Die Input-Redner machten deutlich, dass die Museen zunehmend bemüht seien, Mitarbeiter mit Migrationshintergrund anzuwerben. Auf hauptamtlicher Ebene werde sich jedoch mittelfristig vermutlich wenig ändern, so die pessimistische Prognose.

Angeschnitten wurden darüber hinaus folgende Fragen: Lässt sich das Thema „Migration“ in jede Ausstellung „einweben“? Reicht es aus, bestehende Sammlungen neu zu lesen? Oder müssen Museen neue Sammlungen zur Migrationsgeschichte aufbauen?