Im Fokus der medialen Aufmerksamkeit steht in der vergangenen Woche der so genannte Schultrojaner. Die Verlagssoftware, mit deren Hilfe Schulcomputer künftig auf mögliche Plagiate untersucht werden sollen, sorgt für Empörung in Lehrerschaft und Öffentlichkeit. Einen weiteren Höhepunkt bildete der Deutschlandbesuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zum 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens, der die deutsche Integrationspolitik scharf kritisiert und sich erneut für die doppelte Staatsbürgerschaft ausspricht. Migrantinnen und Migranten, die ihren Abschluss im Ausland erworben haben, sollen es aber bald einfacher haben. Die Überprüfung ausländischer Abschlüsse soll ab März 2012 innerhalb von höchstens drei Monaten abgeschlossen sein – gesetzlich geregelt.


Schultrojaner

 

Äußerst kritisch und ausgedehnt behandelt netzpolitik.org das Thema ,Schultrojaner‘. Auf der Internetseite wurde am vergangenen Montag zuerst über die Software berichtet, mit deren Hilfe Verlage in Zukunft Schulcomputer von außen auf illegale Kopien untersuchen wollen. Zahlreiche Fragen werden dort gestellt, Leserinnen und Leser zudem ermutigt, sich kritisch mit der Verlagssoftware und der damit verbundenen Überwachung von Schulen auseinanderzusetzen.

 

Doch auch in anderen Medien findet das Thema Anklang. So widmet sich die Frankfurter Rundschau der Verlagssoftware. Ein besonderes Augenmerk wird in diesem Artikel auf die Empörung innerhalb der Lehrerschaft gelegt. Diese würde von einer Überwachungskultur sprechen.

 

Die Grundlage des so genannten ,Schultrojaners‘ bildet ein Vertrag „,zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 Uhrheberrechtsgesetz‘“, den die 16 Bundesländer zusammen mit Schulbuchverlagen und anderen Rechteinhabern bereits Ende 2010 geschlossen haben. Dieser Vertrag legt fest, dass Verlage den Kommunen eine Plagiatssoftware zur Verfügung stellen sollen, mit der illegale Kopien von Schulbüchern und anderen Unterrichtsmedien identifiziert werden können.

 

Mindestens ein Prozent der Schulen pro Jahr solle ihre Rechner mit der ab Frühjahr 2012 zur Verfügung stehenden Software prüfen lassen. Wenn Schulen also das Geld für die Anschaffung von Klassensätzen fehle, könne das von nun an rechtliche Folgen haben. Bisher sei nur der Umfang der gespeicherten Kopien auf Schulrechnern festgelegt gewesen. Höchstens 12 Prozent eines Werkes hätten Lehrerinnen und Lehrer bisher kopieren und an die Schülerinnen und Schüler weitergeben dürfen – allerdings nur auf Papier. Ein gescanntes Buch auf dem Schulserver sei schon jetzt gänzlich verboten. „Die Länder verpflichten sich nun, gegen die Schulleiter oder Lehrer ,disziplinarische Maßnahmen‘ einzuleiten, falls so etwas entdeckt werde.“

 

Laut Aussage von Christoph Bornhorn vom VdS Bildungsmedien, der alle Bildungsmedien-Firmen vertrete, sei der Begriff ,Schultrojaner‘ irreführend, da es sich bei der Untersuchung der Schulrechner nicht um eine heimliche Durchsuchung handele. Die Software werde lediglich vor Ort im Schulnetzwerk eingesetzt, um gespeicherten Texte mit Textbausteinen aus Schulbüchern abzugleichen, die sich auf einer Datenbank befinden. Über eine Datei werde der Schulträger über das Ergebnis informiert, während die Verlage nichts erführen.

 

Das werde von Kritikerinnen und Kritikern bezweifelt: Piratenpartei, Sprecher der SPD-Fraktion und der Gewerkschaften hätten sich gegen den Plan, der laut netzpolitik.org „reihenweise arbeitsrechtliche und beamtenrechtliche Fragen aufwerfe“, gewandt. Zum Abschluss wird der bloggende Lehrer Torsten Larbig zitiert: „,Ich hoffte darauf, dass Schulbuchverlage endlich stärker im digitalen Informationszeitalter ankommen würden‘“.

 

50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen:

 

 Die taz beginnt eine Hommage an türkische Deutsche und deutsche Türkinnen und Türken zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens mit einer Stimmungsbeschreibung: Weder in Deutschland noch in der Türkei seien Deutschtürken wirklich angesehen, obwohl sie beide Länder stark verändert und zur Modernisierung beigetragen hätten. In Deutschland hätte die erste Generation der Gastarbeiter für einen Wirtschaftsaufschwung gesorgt sowie zum sozialen Aufstieg der Eingeborenen beigetragen. Dies solle endlich gewürdigt werden. Eine ehemals spießige BRD hätten sie durch ihre Anwesenheit (unbewusst) kulturell bereichert. Auch die deutsche Esskultur hätten die türkischen Einwanderer stark geprägt.

 

Die heutige deutschtürkische Kultur hinsichtlich Literatur, Musik, Theater und Kunst sei insbesondere durch die zweite Generation geprägt worden. Doch weder in Deutschland noch in der Türkei werde die deutsch-türkische Kultur komplett akzeptiert. Während Deutschtürken in Deutschland oft wegen Tradtionsbedachtheit aneckten, würden sie in der Türkei häufig nicht respektiert, weil sie orientalische Höflichkeiten nicht so gut beherrschten, Hierarchien und Autoritäten anzweifelten. Hierzu wird der Regisseur Fatih Akin zitiert: „,Wenn du Erfolg hast, dann wirst du in Deutschland als Deutscher und in der Türkei als Türke wahrgenommen. Wenn nicht, dann ist es umgekehrt.‘“

 

Dabei profitiere auch die Türkei von Auswanderern sowie Rückkehrerinnen und Rückkehrern, die für einen Aufschwung im Tourismus gesorgt und zur Europäisierung von unten beigetragen hätten. Sie werden als Pioniere eines sozialen und kulturellen Wandels bezeichnet.

 

Beim focus liegt das Hauptaugenmerk auf den Deutschlandbesuch des Ministerpräsidenten Erdogan, der die deutsche Integrationspolitik schon vor seinem Besuch scharf kritisiert habe. Erdogan habe mehrfach betont, dass aus vielen einstigen türkische Gastarbeitern, Arbeitgeber geworden seien, die inzwischen mehr als 350000 Arbeitsplätze bereitstellten.

Allerdings würde Deutschland im Gegenzug viel zu wenig Solidarität zeigen und die Türkei vor allem nicht ausreichend bei ihrem Wunsch der EU beizutreten unterstützen, was  maßgeblich zur Integration beitragen würde. Er kritisiere auch die deutsche Gesetzgebung, nach der türkische Einwanderinnen und Einwanderer vor dem Zuzug nach Deutschland die deutsche Sprache erlernen müssten. Deutschland sollte zugezogene Türkinnen nicht als Gefahr, sondern als Bereicherung ansehen. Daraufhin wird der Grünen-Politiker Memet Kılıç zitiert, laut dem die Regierung Erdogan gerne Vorurteile gegenüber Deutschland schüre, um bei Hardlinern im eigenen Land zu punkten. Erdogan solle sich für seine Ausfälle entschuldigen, andernfalls sollte Merkel ihn zurechtweisen, denn alles andere wäre falsch verstandene Diplomatie.

 

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gibt Erdogan laut Focus Recht: Deutschland habe die Integrationspolitik für Türkinnen und Türken zumindest teilweise verfehlt. Er sprach sich zudem gegen die doppelte Staatsbürgerschaft aus.

 

Die FAZ bezieht sich inhaltlich vor allem auf die Kommunikation zwischen Merkel und Erdogan während dessen Deutschland-Besuchs. Deren Kommunikationsschwierigkeiten wickelt der Autor Stichpunkt für Stichpunkt ab, beginnend mit den unterschiedlichen Zeitfenstern, die die beiden beim Nachdenken über die türkisch-deutsche Beziehung im Blick hätten. Für die in Ostdeutschland aufgewachsene Merkelstarte die deutsch-türkische Geschichte erst mit dem Anwerbeabkommen 1961, während Erdogan die Beziehung mit Blick auf ein anderes, frühere einsetzendes Zeitfenster betrachte. Für ihn seien sich beide Völker während der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert zum ersten Mal begegnet, bis das Osmanische und das Deutsche Reich „,eine deutsch-türkische Schicksalsgemeinschaft‘“ gegründet hätten.

 

Neben der Zeit wird die Sprache als Grund für das Kommunikationsproblem zwischen der deutschen Kanzlerin und dem türkischen Ministerpräsidenten genannt: Während Merkel von der Wichtigkeit des Erlernens der deutschen Sprache, „gegenseitiger Befruchtung“ und „kultureller Vielfalt“ rede, betone Erdogan, dass „Assimilation“ genauso ein Verbrechen an der Menschheit sei wie „Antisemitismus“.

 

Auch Merkel spricht sich gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft aus. Sie sehe sich eher als Anhängerin einer konservativen Schule, in der man beispielsweise nicht in zwei Armeen dienen könne.

 

Einig seien Merkel und Erdogan sich dahingehend, dass die Nachfolge-Generationen der ehemaligen Gastarbeiter zahlreiche Unternehmerinnen, Künstler, Akademikerinnen und Arbeitgeber hervorgebracht habe, doch auch diese Gemeinsamkeiten würden schnell an ihre Grenzen stoßen. So erhoffe Erdogan sich, dass Deutschland die Türkei bei ihrem Wunsch, der EU beizutreten unterstütze, während Merkel das Thema während des Festakts zu umgehen versuche. Bedauernd betone sie, dass sie selbst kaum Kontakte zu Deutschtürkinnen und -türken habe.

 

Berufsqualifikation: Ausländische Abschlüsse in Deutschland

 

 Zahlreiche Menschen mit Migrationshintergund, die ihren Abschluss im Ausland erworben haben, sind überqualifiziert. Sie arbeiten in Berufen, die nicht ihrer Ausbildung entsprechen, da diese in Deutschland häufig nicht anerkannt wird. In Zukunft soll die Überprüfung der Abschlüsse von Migrantinnen und Migranten schneller vonstatten gehen.

 

Spiegel Online berichtet, dass die Berufsabschlüsse von Einwanderern und Einwanderinnen ab dem 1. März 2012 innerhalb von höchstens drei Monaten überprüft werden sollen. Falls die Qualifikation nicht mit den deutschen Anforderungen übereinstimme, müssten die im Ausland erworbenen Kenntnisse bescheinigt werden. Das entsprechende Gesetz nach einem Gesetzesentwurf von Bildungsministerin Annette Schavan sei am Freitag durch den Bundesrat gegangen.

 

Der Gesetzesentwurf war lange umstritten. So habe SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise zusätzlich die Nachqualifizierung als festgeschriebenen Rechtsanspruch gefordert. Diese Forderungen hatte die SPD-Fraktion damit begründet, dass der Anspruch auf Überprüfung der Qualifikation allein soziale Hürden nicht abbauen könne, da viele Zuwanderer und Zuwanderinnen sich die Nachqualifikation finanziell nicht leisten könnten. Die Kostenfrage solle aus diesem Grund ebenfalls in dem Gesetz geklärt werden. Dem Vorschlag habe Schavan allerdings schon früh eine Absage erteilt.

 

Focus Online berichtet zusätzlich zu den allgemeinen Informationen zum neuen Gesetz auch über geplante, neue Verfahren. So solle eine bundesweite Telefon-Hotline eingerichtet werden, die Auskunft gibt, an wen Ausländerinnen und Ausländer sich mit ihrer Qualifikation wenden können. Das Gesetz sei ein wichtiges Signal für Respekt und Integration und diene gleichzeitig dazu, für den Fachkräftemangel in Deutschland zu sensibilisieren.

 

Kanzleramtschef Ronald Pofalla habe darüber hinaus die Umsetzung der von der EU beschlossenen „Blue Card“ angekündigt, die in naher Zukunft Gegenstand der parlamentarischen Beratungen sein werde. Das Gesetzesvorhaben zur Umsetzung der EU-Richtlinie hänge seit Monaten in der Ressortabstimmung. Streitpunkt sei vor allem eine geplante Gehaltsschwelle bei einem Jahresverdienst von 40 000 Euro für Zugezogene aus Nicht-EU-Staaten.

 

Foto: flickr.com / Axel Schwenke / Erdfunkstelle Usingen 2005 / CC BY-SA 2.0